Trude Fleischmann fotografiert die Ärztin Hermine Cornides, Böcklinstraße 47 (1917-1938/39)

Als Trude Fleischmann rund um 1925 ihr mittlerweile berühmtes Foto von Hermine Cornides anfertigte, lebte letztere, eine Ärztin und gute Freundin von Fleischmann, gemeinsam mit ihrer Familie schon in der Villa Böcklinstraße 47 (bis 1938 oder 1939, laut Lehmanns Adressbuch). Das Getty Museum (Los Angeles), in dessen Sammlung sich dieses ausdrucksstarke Porträt einer hochgebildeten, literaturaffinen und sehr progressiven Frau befindet, hat das Foto auf seine Website gestellt:

http://www.getty.edu/art/gettyguide/artObjectDetails?artobj=70403

Mary Dear am Donaukanal: Die Häuser der Familien Vetsera und Baltazzi, Schüttelstraße 7-9 (ehemals 11, ab 1870) und Praterstraße

Mary Vetseras Geburtshaus am Schüttel.
»Ein zweistöckiges Haus mit breiter Einfahrt, darüber ein breiter Balkon in der Beletage«: Das Geburtshaus von Mary Vetsera in der Schüttelstraße. Foto: Baltazzi-Scharschmid/Swistun, Die Familien Baltazzi-Vetsera im kaiserlichen Wien.

Sultan Abdülmecid I. war, so wird erzählt, ein durchaus fortschrittlicher Mann. Theodore Baltazzi wird dies – vielleicht erfreut? – registriert haben. Der einflussreiche, in Konstantinopel ansässige Finanzmagnat unterstützte viele Projekte der Hohen Pforte, gemeinsam mit Bankiers wie den später in Paris bestens bekannten Camondos (Angehörige dieser Familie lebten übrigens auch in Wien). Der geschäftstüchtige Theodore verfügte zudem über eine weitere, ebenfalls ergiebige Einkommensquelle: Er kassierte die Mautgebühren für die Galata-Brücke, jene legendäre Überquerung des Goldenen Horns, die nach wie vor zum Pflichtprogramm ambitionierter Istanbul-Touristen zählt. Theodore Baltazzi ist aber auch für das Pratercottage von Bedeutung: Er war der Großvater von Mary Vetsera.

Haus Vetsera, Plan von Vazquez
Der Schüttel aus der Sicht von Carl Graf Vazquez (1830): Links im Bild ist das spätere Vetsera-Wohnhaus zu sehen.

Als nämlich der österreichische Diplomat Albin Freiherr von Vetsera (1825-1887) mit seiner um vieles jüngeren Frau Helene (1847-1925), geborene Baltazzi, Theodores Tochter und angeblich »das reichste Mädchen von Konstantinopel«, um 1870 einen Wohnsitz in Wien suchte, fiel ihre Wahl auf ein Gebäude am Donaukanal, das erstaunlicherweise auch an jene … WEITERLESEN.

Denkschrift des Vereines zur Unterstützung mittelloser israelitischer Studierender in Wien: Arnold Ascher, Laufbergergasse 8/Böcklinstraße 2 (ca. 1906–1938)

Eigentlich war er ja in die Fußstapfen seines Schwiegervaters getreten. Schon Moriz Friedländer, der bedeutende Religionsphilosoph, hatte als Generalsekretär der von Baron Maurice de Hirsch, einem Förderer von Kronprinz Rudolf, initiierten karitativen Stiftung agiert. Nun erfüllt Arnold Ascher diese Aufgabe und bemüht sich intensiv um die finanzielle Unterstützung ärmlicher Landstriche in der Donaumonarchie, namentlich in Galizien und der Bukowina. Parallel dazu engagiert sich der fleißige Jurist und Bruder des Komponisten Leo Ascher überdies in der jüdischen Vereinigung B’nai B’rith. Letztere findet sich prominent auch in einer schön gestalteten Denkschrift aus dem Jahr 1911 wieder, die sich auf Stipendien für jüdische Studenten in Wien bezieht, wohl dank Aschers tatkräftiger Mitwirkung entstand und einen von ihm verfassten, ganzseitigen Artikel enthält. Sein Beitrag wird hier umrahmt von Texten, Zeichnungen und musikalischen Skizzen, die Sigmund Freud, Arthur Schnitzler (und auch sein Bruder), Vater und Sohn Korngold, Wilhelm Jerusalem, die Maler Jehudo Epstein, Isidor Kaufmann, Lazar Krestin und Emil Ranzenhofer, der renommierte Chemiker Adolf Lieben, der Neurologe Moriz Benedikt, der Orientalist David Heinrich Müller oder auch der Talmud-Experte Samuel Krauss (seine Tochter wohnte übrigens in der Böcklinstraße) zu diesem Anlass beisteuerten. Schwiegervater Moriz sowie Arnolds »Nachbarn«, Bruder … WEITERLESEN.

Der erste Nordbahnhof, 1838–1865

Die nun folgenden Illustrationen entstammen der mehrbändigen – und ziemlich tollen! – Geschichte der Eisenbahnen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1898). Sie enthält unzählige Fotos und Grafiken – neu erbaute Bahnhöfe bzw. Brücken im gesamten ehemaligen k.u.k. Raum, Porträts, technische Skizzen –, wurde digitalisiert und ist online auf archive.org abrufbar.

Nordbahnhof, 1838
Belebt: Der Bahnhof der Kaiser Ferdinands-Nordbahn.
Nordbahnhof, 1838
Innenansicht des Bahnhofes.
Nordbahnhof, innen, 1838
Innenansicht des Bahnhofes, nach einem Original aus 1838.
Ankunft am Nordbahnhof, 1838
Ankunft eines Personenzuges. Zu sehen sind hier Waggons der ersten, zweiten und dritten Klasse.
Nordbahnhof, 1840
Der Wiener Nordbahnhof im Jahr 1840.

Die Witkowitzer Eisenwerke – Denkschrift 1928

Wer niemals in Witkowitz gewesen ist, kann nicht ermessen, welchen
gigantischen Umfang diese Unternehmung besitzt. Sie umfasst eine ganze
Stadt, die größer als beispielsweise Znaim ist und die tief in das Weichbild
Mährisch-Ostraus ihre eisernen Arme hinüberstreckt.
Aus: Das Mammutwerk Witkowitz (Die moderne Welt, Heft 6, 1924. Online auf anno)

Aus mysteriösen Gründen sind die riesigen Witkowitzer Eisenwerke, die sich bis zu ihrer »Arisierung« im Besitz der Wiener Familien Rothschild und Gutmann (siehe Text zu Rositta Gutmann, Rustenschacherallee/Böcklinstraße) befanden, in Österreichs kollektivem Gedächtnis kaum präsent. Zu Unrecht: Einst war diese mährische Unternehmung von großer wirtschaftlicher Bedeutung – sowohl für die Donaumonarchie als auch für die 1. Republik – und beschäftigte zeitweise mehr als 30.000 Menschen. Selbst die Geschichte der heimischen Bahn wäre ohne Witkowitz/Vitkovice, das, so der Plan in den Pioniertagen der nunmehrigen ÖBB, mittels rascher und leistungsfähiger Lokomotiven an Wien angeschlossen werden sollte, anders verlaufen. Die tschechische Nationalbibliothek hat im Zuge ihres Digitalisierungsprojekts nun zwei Foto-Broschüren der Eisenwerke online gestellt. Die erste stammt aus dem Jahr 1914, als Heinrich Wiedmann (ca. 1843-1916), der viele Jahre erfolgreich als Prokurist die Agenden der Gebrüder Gutmann vertrat, gemeinsam mit seiner Familie die Villa in der Böcklinstraße 35 … WEITERLESEN.

Wien-Brünn-Wien: Die Gebrüder Klein, Franzensbrückenstraße (Mitte 19. Jhdt.)

Gebrüder Klein (Lithographie)
Stolze Vertreter der k.u.k. Bauindustrie: Die Gebrüder Klein (Lithographie von Josef Kriehuber).

Es war ganz einfach für Franz Klein: Er hatte nur einige hundert Meter zum nahen, am Rande des Praters gelegenen Bahnhof der Kaiser Ferdinands-Nordbahn zu überwinden. Dort lässt er sich in einem Waggon der ersten Klasse nieder, tuckert über Marchegg und Lundenburg (Breclav) nach Brünn (Brno), steigt am mährischen Bahnhof aus, spaziert die Ferdinandsgasse (nun: Masarykova) hoch und voilà, da steht es schon: sein Familienpalais, entworfen von Ludwig Förster und Theophil Hansen, die Zierde des Großen Platzes (nun: Námesti Svobody), ein Gebäude zudem, das perfekt die rasante wirtschaftliche Transformation der Donaumonarchie symbolisiert. Eine Transformation, die nämlich auch auf dem Eisenbahnbau beruhte. Und diese Eisenbahnen, deren Schienennetz nun vom Wiener Nordbahnhof zu riesigen Bergwerken und neuen Fabriken in Mähren und Schlesien führt – ihre Entwicklung ist unter anderem mit drei Namen verbunden: mit Salomon von Rothschild, dem Ahnherrn der österreichischen Eisenbahnen (1836 erhielt der Bankier eine diesbezügliche Konzession von Kaiser Ferdinand, kurz danach begann der Bau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn); mit Franz Xaver Riepl, Geologe und Spiritus Rector der Lokomotivbahnen; und mit den Gebrüdern Klein, die für die Realisierung von Tausenden Schienenkilometern verantwortlich zeichneten. Letztere waren schon in die ersten … WEITERLESEN.