1875, ca. Schüttelstraße 15: Schnitzeljagd mit k.u.k. Außenminister Andrássy

Exzerpt aus der Wiener Zeitung vom 15. Mai 1875 - Owen Maurits Roberts van Son, niederländischer Konsul und Geschäftsmann (Entreprise des pompes funèbres), wohnte damals mit Gattin Marie sowie den Kindern Mitzi und Constant als Nachbar der Familie Vetsera-Baltazzi am Schüttel:

Gyula Andrássy
K.u.k. Außenminister und ungarischer Nationalheld: Gyula Andrássy, ca. 1870. Foto: Josef Székely.

»Ein wenngleich nicht neuer, so doch bei uns bisher wenig betriebener Sport ist durch die Initiative des Herrn Roberts van Son in dieser Saison zu Ehren gekommen. In rascher Aufeinanderfolge wurden drei ›Schnitzeljagden‹ geritten und aller Wahrscheinlichkeit nach wird demnächst eine Wiederholung stattfinden, wenigstens wurde der ›Master‹ von allen Seiten dringend angegangen, die Jagdgesellschaft bald wieder zum Rendezvous einzuberufen, was er auch freundlich zusagte […] Während eben lebhaft debattiert wurde, ob die Jagd stattfinden oder verschoben werden sollte, galoppierten - es hatte indessen aufgehört zu regnen - von allen Seiten die Jäger dem Tiergarten zu und bald darauf ging es wieder lustig darauf los.

Unter den Anwesenden, ungefähr 25 an der Zahl, bemerkten wir diesmal auch Se. Exc. den Herren Minister des Äußeren Grafen Julius [sic!] Andrássy, ferner die Grafen Althann, Nikolaus Esterházy, Mr. Lethellier usw. Von den Damen waren Frau van Son und Frau Constanze aus’m Weerth erschienen. Teilweise war an dem Ausbleiben mehrerer Damen das schlechte Wetter schuld, zum größten Teil aber die gerade an diesem Morgen in Wien eingetroffene Nachricht von dem in Venedig erfolgten Ableben der Gräfin Erdödy, geborene Baltazzi, welche mit den meisten Damen, die an früheren Jagden Teil genommen hatten, teils verwandt, teils intim befreundet war.«

Der gesamte Artikel ist mit »Schnitzeljagd im Prater« betitelt und findet sich online auf ➝ Anno (linke Spalte, unten).

1872: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö. Owen Maurits Roberts van Son, Schüttelstraße ca. Nr. 15 sowie Rustenschacherallee Nr. 6 und Nr. 8

Wilhelm Richter: Kaiserliche  Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872
Wilhelm Richter: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872. Um das Bild in hoher Auflösung zu betrachten, anklicken oder diesem Link folgen.

Schon seit längerem sollte hier ein Text zu Owen Maurits Roberts van Son erscheinen, der ab ca. 1873 (Quelle: Lehmanns Adressbuch) bis zu seinem Tod im Jahr 1914 an mehreren Adressen im Pratercottage ansässig war und auch die nach wie vor existierende Villa in der Rustenschacherallee Nr. 6 erbaute. Das Problem: Die enorme Menge an Material, da der niederländische Generalkonsul, ein Reitsportfan, nicht nur als Teil der Szene rund um die mit ihm befreundeten Brüder Baltazzi bzw. Baron Gustav Springer Bedeutung erlangte (bereits 1870 taucht sein Name anlässlich der vom Jockey-Club neu eröffneten Tribüne in der Freudenau auf), sondern zudem mit einem Unternehmen verbunden war, dessen Nachfahre bis heute eine zentrale Rolle in der Wiener Infrastruktur einnimmt: Die Entreprise des pompes funèbres, nun als Bestattung Wien bekannt. Weitere Recherchen zur Familie Roberts van Son sowie zur Geschichte der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 führen überdies nach Hollywood und zur »Operation Walküre«, dem gescheiterten Attentat auf Hitler.

Es erscheint daher ratsam, den umtriebigen Niederländer zunächst in die Gesellschaft seiner Zeit einzubetten und, da sich im Pratercottage bekanntlich ja auch die Wittelsbachstraße befindet, jener Erzählung nachzugehen, die nun schon seit hundert Jahren, und somit mehrere Generationen umspannend, tradiert wird: Kaiserin Elisabeth, so die Fama, habe in den Stallungen der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 einige ihrer Pferde untergebracht. Nachforschungen ergeben: Ja, dies konnte tatsächlich möglich gewesen sein. Als Beleg hierfür dient unter anderem obiges Gemälde, das von Wilhelm Richter angefertigt wurde und neben zwanglosem Vergnügen auch einen handfesten politischen Hintergrund abbildet. Richter, ein bekanntlich auf Pferdedarstellungen spezialisierter Maler, porträtierte jene interessante Runde, die 1872 von Franz Joseph I. ins barocke ungarische Jagdschloss Gödöllö geladen wurde – mit dem Kaiserpaar in der Mitte, dem magyarischen Nationalhelden und k.u.k. Außenminister Graf Gyula Andrássy in unmittelbarer Nähe desselben sowie weiteren, großteils schon identifizierten Jagdteilnehmern, die sich rund um dieses Zentrum drängen.

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