1872: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö. Owen Maurits Roberts van Son, Schüttelstraße ca. Nr. 15 sowie Rustenschacherallee Nr. 6 und Nr. 8

Wilhelm Richter: Kaiserliche  Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872
Wilhelm Richter: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872. Um das Bild in hoher Auflösung zu betrachten, anklicken oder diesem Link folgen.

Schon seit längerem sollte hier ein Text zu Owen Maurits Roberts van Son erscheinen, der ab ca. 1873 (Quelle: Lehmanns Adressbuch) bis zu seinem Tod im Jahr 1914 an mehreren Adressen im Pratercottage ansässig war und auch die nach wie vor existierende Villa in der Rustenschacherallee Nr. 6 erbaute. Das Problem: Die enorme Menge an Material, da der niederländische Generalkonsul, ein Reitsportfan, nicht nur als Teil der Szene rund um die mit ihm befreundeten Brüder Baltazzi bzw. Baron Gustav Springer Bedeutung erlangte (bereits 1870 taucht sein Name anlässlich der vom Jockey-Club neu eröffneten Tribüne in der Freudenau auf), sondern zudem mit einem Unternehmen verbunden war, dessen Nachfahre bis heute eine zentrale Rolle in der Wiener Infrastruktur einnimmt: Die Entreprise des pompes funèbres, nun als Bestattung Wien bekannt. Weitere Recherchen zur Familie Roberts van Son sowie zur Geschichte der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 führen überdies nach Hollywood und zur »Operation Walküre«, dem gescheiterten Attentat auf Hitler.

Es erscheint daher ratsam, den umtriebigen Niederländer zunächst in die Gesellschaft seiner Zeit einzubetten und, da sich im Pratercottage bekanntlich ja auch die Wittelsbachstraße befindet, jener Erzählung nachzugehen, die nun schon seit hundert Jahren, und somit mehrere Generationen umspannend, tradiert wird: Kaiserin Elisabeth, so die Fama, habe in den Stallungen der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 einige ihrer Pferde untergebracht. Nachforschungen ergeben: Ja, dies konnte tatsächlich möglich gewesen sein. Als Beleg hierfür dient unter anderem obiges Gemälde, das von Wilhelm Richter angefertigt wurde und neben zwanglosem Vergnügen auch einen handfesten politischen Hintergrund abbildet. Richter, ein bekanntlich auf Pferdedarstellungen spezialisierter Maler, porträtierte jene interessante Runde, die 1872 von Franz Joseph I. ins barocke ungarische Jagdschloss Gödöllö geladen wurde – mit dem Kaiserpaar in der Mitte, dem magyarischen Nationalhelden und k.u.k. Außenminister Graf Gyula Andrássy in unmittelbarer Nähe desselben sowie weiteren, großteils schon identifizierten Jagdteilnehmern, die sich rund um dieses Zentrum drängen.

Im Katalog zur Ausstellung Jagdzeit (1996), dem auch obiges Foto entnommen wurde, findet man erfreulicherweise eine Auflistung jener Personen, deren Identität also geklärt werden konnte. In dieser Jagdgesellschaft, die vorwiegend aus ungarischen Politikern bestand, ritt, so liest man, ein Mitglied der Familie van Son mit, ein junges Mädchen, das als »Mici von Van-Son« identifiziert wurde – es handelte sich zweifellos um Marie »Mitzi« Roberts van Son und somit um Konsul Roberts van Sons Tochter. Aber: Sollte Wilhelm Richter ein damals knapp 11jähriges Kind tatsächlich ohne seine angesehenen Eltern mitten in die zudem männerdominierte Jagdgesellschaft rund um Franz Joseph und Sisi verpflanzt haben? Eher unwahrscheinlich. Es ist daher denkbar, dass es sich bei jenem Paar, das hinter Mitzi zu sehen ist, um den geschäftstüchtigen, im Wiener High-Life bestens vernetzten Konsul und dessen Gattin Marie handelt. Ein mit besagtem Trio vergrößerter Ausschnitt des Richter’schen Gemäldes findet sich am Ende dieses Beitrages.

Nachfolgend nun erwähnte, im Rahmen der Ausstellung Jagdzeit publizierte Auflistung jener Personen, die von Wilhelm Richter so detailgetreu porträtiert wurden, dass eine Identifizierung möglich war:

»Rechts von Elisabeth: Lord Buchanan (britischer Botschafter, Anm.), Graf Gyula Andrássy (Außenminister), Graf István Keglevich (Politiker, später auch Theaterintendant), Graf Aurél Dessewffy;

sitzend und stehend Leopold, Herzog von Bayern (heiratet 1873 Gisela, Tochter von Franz Joseph und Elisabeth), Graf Miklós József Esterházy (= Graf Nikolaus Esterházy), Baron Béla Wenckheim (Politiker), Dénes Pázmandy (Politiker und Schriftsteller), Ferenc Tihanyi, Miklós Jankovich, Nándor Éber (Journalist und Politiker, kämpfte gemeinsam mit Istvan Türr an der Seite von Garibaldi), Baron József Radics;

In der Nähe Kaiser Franz Josephs I.:
Harry Holmes, Stallmeister Elisabeths, dahinter Fürst Tassilo Festetics, Graf Pál Festetics, Lajos Tisza (Politiker, Onkel des späteren ungarischen Ministerpräsidenten István Tisza), Graf Istvan Károlyi und die Begleitung des Prinzen Alexander von Liechtenstein;

neben dem Baum im Vordergrund Graf Elemér Batthyány (Sohn des hingerichteten ungarischen Ministerpräsidenten Lajos Batthyány), Janos Harkányi (Politiker, Mitglied der bedeutenden jüdischen Industriellenfamilie Wodianer), Lajos Simonyi (Politiker), Ernó Blaskovics, Géza Rohonczy, Graf Iván Szapáry (Herrenreiter), Graf Béla Keglevich (Politiker), Graf Imre Szapáry, Herzog Czetwertinsky, Graf Géza Szapáry (Politiker). Das kleine Mädchen ist Mici von Van-Son.«

Van Son-Gödöllö
Ein kleines Mädchen inmitten der kaiserlichen Jagdgesellschaft: Mitzi Roberts van Son. Das Paar hinter ihr stellt möglicherweise Owen Maurits Roberts van Son und seine Gattin Marie dar, Mitzis Eltern, die Erbauer der Villa Rustenschacherallee Nr. 6.
LITERATUR
Renata Kassal-Mikula und Selma Krasa Jagdzeit. Österreichs Jagdgeschichte – Eine Pirsch (Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, 1996)

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Donadello

    Please, I would like to know who was Owen Roberts Maurits van Son. Thank you very much.

  2. Eva Maria Mandl

    He was born into an aristocratic Dutch family who resided in the Dutch East Indies (Indonesia). Among his ancestors were not only the van Sons, but also members of the van Braam family, like for instance Jacob Pieter van Braam, an admiral closely related to the Dutch East India Company (VOC). After his marriage to Marie Schadee (1858 in Rotterdam, → Link to the announcement) Owen Maurits Roberts van Son lived in Vienna since the 1860s until his death in 1914, had two children, was Consul General of the Netherlands, a business man and, as an avid equestrian, VERY enthusiastic about horse racing.

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