Der Prater, die Pferde und die Familie Springer, Teil 4: Die Bergwerke in Jaworzno
Im Wiener Straßennetz finden sich einige ganz großartige Namen (1010, Stoß im Himmel, z.B., oder 1140, Grüne Stube). Vor wenigen Jahren gesellte sich nun auch 1020, An den Kohlenrutschen hinzu. Der so liebevoll betitelte Verkehrsweg im noch jungen Stadtentwicklungsgebiet Nordbahnhof mündet in die ebenfalls neu geschaffene Krakauer Straße. Fürwahr eine interessante topografische Festschreibung, die zu einem Blick zurück verleitet:
Die Presse, 18. Februar 1869
»Seit einigen Wochen sind hier Gerüchte verbreitet, die Nordbahngesellschaft beabsichtige das große Kohlenbergwerk Jaworzno käuflich an sich zu bringen. Bis jetzt haben diese Gerüchte wenig Wahrscheinlichkeit an sich; aber schon die bloße Anregung des Gedankens erregt in industriellen Kreisen Besorgnis über die Großmachtstellung der Nordbahn im Kohlenrayon Krakaus, da die Nordbahn ohnehin das bedeutende Kohlenbergwerk Pechnik bei Jaworzno besitzt. Man befürchtet nämlich – ich weiss nicht, ob mit Recht – die Nordbahn werde durch den Ankauf Jaworznos gewissermaßen Monopolistin im Kohlenrayon Krakaus werden.«
Neues Fremden-Blatt, 15. Mai 1871
»Die Verhandlungen wegen des Verkaufes des ärarischen Kohlenwerkes Jaworzno haben zu einem definitiven Resultate geführt. Das Werk ist bereits an ein aus den Bankiers Springer, Schoeller, Gebrüder Gutmann bestehendes Konsortium verkauft worden. Als Kaufpreis nennt man uns ca. 2,1 Millionen Gulden. Ob die Ersteher ihre Erwerbung für die Zeichnung einer Aktiengesellschaft verwerten werden, steht noch nicht fest.«
Die von Salomon Rothschild begründete Kaiser-Ferdinands-Nordbahn, Urmutter der ÖBB, angesiedelt im prächtigen Nordbahnhof, sie ging also leer aus. Hauptaktionär der Nordbahn war nach wie vor das Haus Rothschild, mit dem die Gebrüder Gutmann interessanterweise schon damals, seit 1865 nämlich, in Geschäftsbeziehungen standen (ab 1869 hatte überdies die intensive Zusammenarbeit betreffend die später so riesigen Eisenwerke in Witkowitz/Vitkovice begonnen). Ebenfalls 1865 hatten die Gutmanns zudem in Breslau gemeinsam mit der schlesischen Firma C. T. Löbbecke die Georg- und Morgenstern-Grube erworben und dabei auch den späteren Freund Max von Springer beteiligt. Doch nun waren die neuen Besitzer der Jaworznoer Kohlengruben unzufrieden. In seinem nicht nur für Bergbau-Experten interessanten Erinnerungsband Aus meinem Leben (1891) beklagt Wilhelm von Gutmann den hohen Kaufpreis, den »verwahrlosten Zustand der Anlage« und die »geringe Qualität der Kohle, welche eine Verfrachtung auf weitere Entfernung nicht lohnend erscheinen ließ«. Die Häuser Springer, Gutmann, Schoeller und Todesco (auf letzteres wurde in oben zitiertem Artikel vergessen) machten sich also ans Werk, modernisierten die Anlage und errichteten »verschiedene humanitäre Anstalten« (Gutmann) für die Arbeiter, deren Zahl im Jahr 1891 auf 1.400 angewachsen war.
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