Zwischen Schüttelstraße, Haarmarkt und Stephansplatz, Teil III: ab 1840

Lazanskyhaus, Stock im Eisen-Platz, 1895
Prominent vor dem Dom platziert: Das Lazansky-Haus im Jahr 1895 (Foto: Wikimedia Commons)

»Schad‘, dass man das Lazansky-Haus demoliert hat. Das hat sich halt noch gruppiert«, seufzte ein frustrierter Rudolf von Alt im Gespräch mit Ludwig Hevesi.1 Wie oft hatte er dieses markante Bauwerk neben dem Stephansdom gemalt, gezeichnet, skizziert? Alt wusste es selbst nicht. Mit dem 1896 erfolgten Abriss des Barockhauses begrub man jedenfalls auch die Erinnerung an die Macks und ihre Zuckerraffinerie am Schüttel unter riesigen Schutthügeln: Es war Leopold von Lažanský (1854–1891), Ignaz von Macks Enkel, Rosina (Rosa) von Macks Sohn, der als letzter der Familie jene Immobilie besaß, die sein Großonkel Vinzenz Mack in den wirtschaftlich fiebrigen 1830er Jahren erworben hatte. Der unvermählte Graf, ein vorwiegend auf dem böhmischen Schloss Chiesch (Zámek Chyše) residierender Exzentriker mit turbulentem Privatleben und zwei unehelichen Töchtern2, hatte für das Wiener Gebäude große Pläne gehegt: Ein tschechisches Nationalhaus (Narodni dum) hätte es nach seinem Ableben werden sollen, prominent gelegen, am zentralsten Ort der kaiserlichen Residenzstadt. Doch nach dem frühen Tod des einstigen Schauspielers und Politikers (Abgeordneter der Jungtschechischen Partei) – Lažanský verstarb im August 1891 erst 37jährig in Marienbad – zerfiel dieses ambitionierte, in … WEITERLESEN.

Zwischen Schüttelstraße, Haarmarkt und Stephansplatz, Teil II: 1836

Friedrich von Amerling: Rudolf von Arthaber und seine Kinder
Friedrich von Amerling: Rudolf von Arthaber und seine Kinder Rudolf, Emilie und Gustav (1837). Sammlung: Österreichische Galerie Belvedere.

Wir vermelden den kraftvollen Auftritt des Textilunternehmers Rudolf Arthaber (1795–1867). Sein berufliches Hauptquartier befindet sich übrigens in der Goldschmidgasse [sic!] 595, an der Ecke zum Stephansplatz, die Angestellten haben das von William Turner skizzierte, von Rudolf von Alt gemalte Barockhaus Nr. 875 immer im Blick.1 Arthaber interessiert sich für Kunst – sehr sogar –, kann sich aber auch für Immobiliendeals erwärmen. Und so erstand er 1835 exakt jenes Gebäude, in dem wir als Mieter eben noch Ignaz Mack und seine Familie angetroffen hatten: Das Objekt Haarmarkt 642.2 Gleich ihm ergreifen auch andere flott die Chance, sich Haus- und Grundbesitz in diesem begehrten Viertel einzuverleiben. Der Historiker Theodor von Karajan etwa (der Urgroßvater des Dirigenten), ein Wiener mit griechischen Wurzeln, erwarb um 1834 das Gebäude 728 Ecke alter Fleischmarkt/Rothenthurm Straße (Fleischmarkt 1/Rotenturmstraße 20) und bezog dort eine Wohnung.3

Stock-im-Eisenplatz-Stephansplatz 875–ca.1837
Der Stephansplatz und seine Umgebung inklusive Konskriptionsnummern, ca. 1837. 

Zwischen Schüttelstraße, Haarmarkt und Stephansplatz, Teil I: 1833

Turner: Stephansdom und Lazanskyhaus, 1833
1833: Der Stock-im-Eisen-Platz, wie ihn Joseph Mallord William Turner sah. Sammlung: Tate (Digitalisat).

William Turner (1775–1851) richtet seinen Blick auf das eindrucksvolle Barockhaus neben dem gotischen Dom. Schnell bannt er die steinernen Silhouetten auf Papier, verewigt die beiden Wiener Gebäude in seinem Skizzenbuch, sie werden ihn auf der Weiterreise nach Venedig begleiten. Wir schreiben das Jahr 1833 und der rastlose englische Maler ist – wieder einmal – unterwegs auf dem Kontinent.

Rudolf von Alt: Stephansplatz (Detail), 1832
Barocke Bleibe neben dem Dom: Lazar Goldsteins Wohnhaus, 1832 von Rudolf von Alt auf Leinwand gebannt.

Weiß Lazar (Gotthold) Goldstein davon? Vermutlich nicht. Er logiert in dem von Turner beäugten Wohnhaus am Stock-im-Eisen-Platz, gleich neben dem Stephansdom, Konskriptionsnummer 875.1 Der in Wiens Gesellschaft bestens bekannte Großhändler ist Witwer, 1830 hatte er das Ableben seiner Gattin Henriette beklagen müssen. Nun, im Jahr 1833, als Malerfürst Turner den Stephansplatz umrundet, ist Goldstein mit der Hochzeit seiner Tochter Emma beschäftigt, Joseph Lanner wird sich dazu walzermäßig einbringen, Emmas Tochter Henriette wird sich später in Paris im Umfeld des Kunstmäzens Charles Ephrussi bewegen – in diesem Blog wurde davon ja schon berichtet. Es ist also eine bemerkenswerte Karriere, auf die Herr Goldstein, der Pater familias, zurückblickt, und sie war … WEITERLESEN.

Stammtafel mit Ignatia von Mack und Rudolf von Marogna-Redwitz

Nachfolgend: Ein Auszug der Stammtafel von Ignatia von Mack (Zuckerraffinerie am Schüttel), die uns zuletzt in einem Text über ihre Schwester Rosa begegnete. Hier findet sich nämlich, für viele vermutlich überraschend, auch Rudolf von Marogna-Redwitz wieder, der nach dem »Anschluss« 1938 als Leiter der deutschen Abwehr eine Villa in der Böcklinstraße bewohnte, im österreichischen Widerstand tätig war und 1944, nach der gescheiterten Operation Walküre, als Verbündeter von Stauffenberg in Berlin hingerichtet wurde. Ergänzend erwähnt wird überdies eine biografische Verknüpfung mit den Gebrüdern Klein (Franzensbrückenstraße bzw. Brünn/Brno). Als Quellen dienten u. a. The Peerage und Geneall.

Infografik Mack-Arco-Marogna

1848: Leopold Lažanský von Bukowa und Rosa von Mack (ca. Schüttelstraße 9)

Lazansky-Platz mit Kaiser Josef II.-Denkmal
Der Lažanskýplatz in Brünn (Brno) auf einer Aufnahme aus ca. 1910. In der Bildmitte ist das 1892 enthüllte Denkmal von Kaiser Joseph II. zu sehen.

Nun lautet seine offizielle Bezeichnung also: Moravské náměstí, auf Deutsch: Mährischer Platz. Ein klug gewählter, weil politisch harmloser Name, der jedweden Systemwechsel problemlos überdauern wird. Dies war nicht immer der Fall, im Gegenteil. Die Benennungen dieses Brünner Platzes spiegelten in ihrer Abfolge auf bemerkenswerte Weise die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder: Lažanskýplatz, Kaiser-Josef-Platz, Lažanského náměst (Lažanský-Platz), Adolf-Hitler-Platz, náměstí Rudé armády (Platz der Roten Armee, bis 1990).

Leopold Lazansky von Bukowa
Mährischer Statthalter: Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860).

Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860), an den dieser Platz ab 1860 fast durchgehend bis 1939 erinnerte, hatte seit 1849 als Statthalter von Mähren amtiert. In seiner konservativ-absolutistisch geprägten Amtszeit begann die rasante Industrialisierung des Kronlandes, befeuert unter anderem durch die wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn. Zu jenen, welche die Gunst der Stunde nutzten, zählte übrigens auch der aus Leipnik (Lipník nad Bečvou) stammende Wilhelm von Gutmann, welcher um 1850, wie er in seiner Autobiografie Aus meinem Leben (1891) erzählt, in den Kohlenhandel einstieg und später zu einem der reichsten Unternehmer Mitteleuropas wurde. Der Aristokrat Lažanský selbst entstammte einer politisch einflussreichen … WEITERLESEN.

Ludwig (Ritter von) Förster und die Zinner’sche Zuckerraffinerie, Franzensbrückenstraße 17 (1839)

zinner1

Nachdem Theophil von Hansen derzeit vielfach gewürdigt wird, muss hier natürlich an den ähnlich produktiven, fatalerweise aber ziemlich vergessenen Schwiegervater des dänischen Architekten erinnert werden. Bevor sich Ludwig Förster (1797-1863), kurz vor seinem Tod zum Ritter ernannt, mit seinen Palais für die Familien Pereira-Arnstein, Rothschild, Drasche (Gustav Mahler-Hof) oder Todesco ins Stadtbild der Wiener City einschrieb, bevor er die Synagoge in der nahen Leopoldstädter Tempelgasse entwarf – und auch jene in Budapest, sie ist Europas größte -, bevor er Otto Wagner zur ersten Anstellung verhalf, gemeinsam mit Hansen das Arsenal errichtete und die Ringstraße mitplante, in jenem Jahr 1839 also, in dem er über weiteren Ausgaben seiner höchst lobenswerten publizistischen Schöpfung, der Allgemeinen Bauzeitung, brütete, wurde in der Franzensbrückenstraße ein auf seinen Plänen basierendes Fabriksgebäude eröffnet.

Ludwig Ritter von Förster
Dieser Mann spazierte über die Baustelle in der Franzensbrückenstraße: Ludwig Ritter von Förster (1797-1863).

Die für Demeter Zinner errichtete Zuckerraffinerie, eine der spannendsten Wiener Industrieanlagen des 19. Jahrhunderts, erstreckte sich unweit des kurz zuvor eröffneten Nordbahnhofes auf der Höhe der nunmehrigen Vivariumstraße bis in den Prater – und lässt sich auch heute noch gut im Stadtbild nachvollziehen. Leider konnte sich Zinner, dessen Familie Jahre später die Anglo-Österreichische Bank mitbegründen wird, nicht lange … WEITERLESEN.

Zwischen Franzens- und Sophien/Rotundenbrücke, 1835

»Unter der Franzensbrücke beginnt schon der Prater, aber auch hier haben die Häuser die Bäume zurückgedrängt, und mehrere stattliche Gebäude stehen am Ufer. Unter der großen von Mack’schen Zuckerraffinerie ist das sehr besuchte Schüttelbad mit einem anstoßenden Wirthshausgarten, zwischen beiden führt ein Durchgang hinüber in die große Allee. Weiterhin folgt eine Meierei, welche dem Fürsten Liechtenstein gehört. Es ist ein freundliches modernes Gebäude, dessen Mittelpunkt ein Saal bildet, welcher Fenster in die anstoßenden Pferde- und Hornviehställe hat. In demselben hängen acht sehr große vorzügliche Gemälde von J. G. von Hamilton 1701 gemalt. Sie stellen einzelne ausgezeichnete Rassepferde vor. Mit Beziehung auf diese Pferde trägt der Saal außen die Inschrift: ›Laboris patiens in bello intrepidum Neptuni genus‹. Von dem Gebäude bis zur Praterwiese zieht sich eine heitere Gartenanlage hin, welche auch eine Sommerreitschule enthält. Nun folgen Gemüsegärten, im Kanale stehen zwei Hütten für unentgeltliche Strombäder, und endlich hat man das Freie erreicht. Man steht an einer großen, mit herrlichen Baumgruppen besetzten Wiese, vor dem Sophien-Kettenstege,  jenseits die Vorstadt Erdberg mit dem Rasumovskischen Garten; etwas zurück ragt der Stephansturm empor. Es ist ein sehr malerischer Standpunkt.

Friedrich August Brand (1735-1806), Ein Hirschenstadl im Prater

Links zieht sich ein Pfad am Wäldchen hin, … WEITERLESEN.