1848: Leopold Lažanský von Bukowa und Rosa von Mack (ca. Schüttelstraße 9)

Lazansky-Platz mit Kaiser Josef II.-Denkmal
Der Lažanskýplatz in Brünn (Brno) auf einer Aufnahme aus ca. 1910. In der Bildmitte ist das 1892 enthüllte Denkmal von Kaiser Joseph II. zu sehen.

Nun lautet seine offizielle Bezeichnung also: Moravské náměstí, auf Deutsch: Mährischer Platz. Ein klug gewählter, weil politisch harmloser Name, der jedweden Systemwechsel problemlos überdauern wird. Dies war nicht immer der Fall, im Gegenteil. Die Benennungen dieses Brünner Platzes spiegelten in ihrer Abfolge auf bemerkenswerte Weise die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder: Lažanskýplatz, Kaiser-Josef-Platz, Lažanského náměst (Lažanský-Platz), Adolf-Hitler-Platz, náměstí Rudé armády (Platz der Roten Armee, bis 1990).

Leopold Lazansky von Bukowa
Mährischer Statthalter: Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860).

Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860), an den dieser Platz ab 1860 fast durchgehend bis 1939 erinnerte, hatte seit 1849 als Statthalter von Mähren amtiert. In seiner konservativ-absolutistisch geprägten Amtszeit begann die rasante Industrialisierung des Kronlandes, befeuert unter anderem durch die wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn. Zu jenen, welche die Gunst der Stunde nutzten, zählte übrigens auch der aus Leipnik (Lipník nad Bečvou) stammende Wilhelm von Gutmann, welcher um 1850, wie er in seiner Autobiografie Aus meinem Leben (1891) erzählt, in den Kohlenhandel einstieg und später zu einem der reichsten Unternehmer Mitteleuropas wurde. Der Aristokrat Lažanský selbst entstammte einer politisch einflussreichen Familie, die hohe Positionen im österreichischen Kaiserreich inne hatte: Sein Großvater Prokop (1740-1804) war unter anderem Präsident der Hofkanzlei, sein Vater Prokop (Procop) (1771-1823) amtierte als Hofkanzler und Statthalter von Mähren-Schlesien. Leopold wiederum hatte sich das Vertrauen der Habsburger auf Grund seiner Loyalität während der Revolution 1848 erworben.

Am 22. November 1850 trat er, der im barocken Brünner k.k. Statthaltereigebäude (Místodržitelský palác) – es grenzt an den nunmehrigen Moravské náměstí – residierte, mit einer 19jährigen in Wien vor den Altar: Leopold Lažanský von Bukowa heiratete Rosa (Rosine) von Mack. Rosa aus der Schüttelstraße, wo sie gemeinsam mit ihren Schwestern Ignatia und Amalia aufgewachsen war. Rosa, deren Familie unter anderem mit der dort angesiedelten Zuckerraffinerie zu erheblichem Wohlstand kam.

1848 war, so ist anzunehmen, in den Gesprächen der beiden wohl ein Thema. Daher erfolgt nun eine Rückblende in den Oktober des Revolutionsjahres, ein kurzes Streiflicht auf Wien und Olmütz (Olomouc, Fluchtort von Kaiser Ferdinand I.), zu Rosa von Mack und Leopold Lažanský von Bukowa, zu einem Monat, der die Habsburgermonarchie in ihren Grundfesten erschütterte.

Zuckerraffinerie Mack am Schüttel, Oktober 1848
Rauchendes Trümmerfeld: Die Mack’sche Zuckerraffinerie am Schüttel im Oktober 1848.

Am 26. Oktober 1848 – Rosa war damals 17 Jahre alt – tobten, wie schon in einem Text über die Zinner’sche Raffinerie (Franzensbrückenstraße 17) erwähnt, am Schüttel heftige und durchaus blutige Kämpfe. Wie es dabei der Zuckerraffinerie Mack erging, schildert Joseph Alexander von Helfert, Historiker, konservativer Politiker und Mitbegründer des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, in seiner Abhandlung Die Belagerung und Einnahme Wiens. October 1848 (1869):

»Da begann es aus der Zucker-Raffinerie von Mack & Comp. feurig zu züngeln; die Fabrikarbeiter suchten den beginnenden Brand zu löschen, bis sie die Batterien der Städtischen von ihrer Arbeit abzulassen zwangen. Nun greift der Brand immer weiter um sich, wühlt und wütet in den mit Fettstoffen angefüllten Nebengebäuden. Eine Feuersäule, hundert Fuß hoch und darüber, schiebt sich empor; aus den Siruptonnen schießt laut knisternd und Millionen Funken sprühend ein hell leuchtender Strahl in die Höhe; aus allen Fenstern des Wohngebäudes schlagen die gierig um sich fressenden Flammen heraus; gespensterhaft treten auf Augenblicke die ernsten Praterbäume aus der grell erleuchteten Umgebung wie ein ernstes Wahrzeichen der schuldlosen Natur heraus, und an den Stätten der Verwüstung vorbei wälzt, ein glühender Feuerstrom, die Donau ihre Fluten, die seit Kara Mustafas Tagen kein schauderhafteres Bild zurückgespiegelt. Je tiefer die Nacht hereinbrach, dessen greller leuchteten die Flammen, desto blutiger rötete der Widerschein den von Qualm und Rauch umflorten Himmel. Tausende von entsetzten Zuschauern betrachteten von den Basteien das furchtbare Schauspiel. ›Leb wohl Habsburg, schöner Stern!‹ seufzte ein ernster Graubart, als er das letzte Gemäuer des Mack’schen Gebäudes krachen in den Grund stürzen sah.«

Der ernste Graubart irrte, wie wir wissen. Und auch das Mack’sche Wohngebäude konnte offenbar, wie sich anhand mehrerer Illustrationen und Fotografien nachvollziehen lässt, trotz der beträchtlichen Schäden, und dank einer vor Gericht erstrittenen Versicherungssumme, wieder errichtet werden. Dieses kleine Palais wird nach dem Tod von Rosas Mutter Amalia (1869) neue Mieter bekommen, eine Familie, deren Schicksal mit jenem der Habsburger ebenfalls eng verknüpft ist: Albin von Vetsera, seine Gattin Helene Baltazzi sowie mehrere ihrer Angehörigen siedeln sich am Schüttel an – es ist das Geburtshaus von Mary Vetsera und befindet sich zu jener Zeit im Besitz von Ignatia von Wrede, geborene von Mack, Rosas Schwester.

Dies waren also die Vorgänge in Wien, soweit sie die zukünftige Braut betrafen. Und in Olmütz? Dort hatte Leopold Lažanský von Bukowa kurz zuvor ein an die mährische Bevölkerung adressiertes Dankschreiben von Kaiser Ferdinand entgegen genommen. Ein Jahr später wird er Statthalter von Mähren. Es sei »beachtenswert«, liest man dazu in der Zeitung Der Wanderer, dass »unter allen Länderchefs aus dem Vormärz 1848 Lažanský allein sich über das vorige Jahr hinaus erhalten hat.«

Leopold Lazansky von Bukowa-Oktober 1848

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Eva Maria Mandl

    Der ehemalige Palast des Statthalters ist heute übrigens Teil der Moravská galerie (Mährische Galerie), die sich mit zeitgenössischer Kunst ebenso beschäftigt wie mit Fotografie, Architektur und Grafikdesign: http://www.moravska-galerie.cz (Webseite tschechisch/englisch).

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