Die Ferstels, die Doderers, die Marxergasse: Simon von Wimpffen, Teil 1

Anastasia von Wimpffen, geb. Sina de Hodos et Kizdia, 1838–1889 (Wikimedia Commons)

»Die aus dem Mittelalter stammende Kapelle des im Triestingtale gelegenen Ortes Fahrafeld ließ die Besitzerin des Gutes Gräfin Wimpffen-Sina nach Plänen des Architekten Max Freiherrn von Ferstel heuer umbauen. Die feierliche Einweihung der Kapelle fand am 21. v. M. statt. Der Pottensteiner Gesangverein nahm aus diesem Grund Anlass, am Vorabende dieser Feier der durch ihren Wohltätigkeitssinn sich allseitiger Verehrung erfreuenden Gräfin ein Ständchen zu bringen. Des berühmten Heinrich Ferstels Sohn zeigte auch hier eine bedeutende künstlerische Individualität durch auserlesenen Geschmack und feinsinnige Empfindung.«
(Wiener Bauindustrie-Zeitung, 1. November 1888)

August Zichy de Zich et Vásonykeő, ehemals Gouverneur von Fiume (heute: Rijeka) und Obersthofmarschall, verstarb am 4. Oktober 1925. Anwesend bei der feierlichen Einsegnung im Palais Zichy-Sina in der Beckmanngasse 10–12, 1140 Wien (heute Sitz der nordkoreanischen Botschaft) waren laut Neuem Wiener Journal (8. Oktober 1925, S. 10; online auf ANNO) unter anderem der bedeutende Kunstmäzen Felix (von) Oppenheimer (ein Freund Hugo von Hofmannsthals und Enkel von Sophie und Eduard von Todesco; er wird nach dem »Anschluss« am 15. November 1938 Selbstmord begehen), der Architekt Max (von) Ferstel und seine Gattin Charlotte sowie Zichys Schwager Siegfried von Wimpffen mit Familie. Nach der von einer beeindruckenden Honoratiorenschar besuchten Zeremonie wurde Zichy ins slowenische Bellatincz (Beltinci) überführt; die dortige Kirche sv. Ladislava mit der Familiengruft des Verstorbenen war nach dem frühen Ableben seiner Gattin Hedwig von Wimpffen in den Jahren 1893–1895 von Max Ferstel umgestaltet und erweitert worden. (In Beltinci gab es übrigens einst auch eine große jüdische Gemeinde, mehr dazu siehe hier.)

Kehrten die Ferstels danach in ihr Domizil auf der Landstraße zurück? Der Architekt lebte im 3. Bezirk, in der Stammgasse 12, nahe der Rotundenbrücke, in einem Haus, das er 1892–1894 als gemeinsamen Familiensitz mit seinem Schwager Wilhelm von Doderer, dem Vater des Schriftstellers Heimito von Doderer (1896–1966), erbaut hatte. In der unmittelbaren Nachbarschaft – ja, tatsächlich gleich um die Ecke, in der Marxergasse, nur wenige Meter entfernt – erstreckte sich ein bemerkenswertes (und mittlerweile nicht mehr existentes) Gebäude, das parallel zur Errichtung von Ferstels Refugium eine wesentliche Transformation erfahren hatte. Verantwortlich dafür war Simon von Wimpffen (1867–1925) gewesen, der neue Besitzer dieser Immobilie, damals Mitte 20,  enorm reich, rastlos, energiegeladen und ausgestattet mit einem großem Faible für die Pferdezucht.

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Dorothea Zeemann und die Rotundenbrücke

Wir (Dorothea Zeemann und Heimito von Doderer, Anm.) gehen über die alte Brücke von Florenz, wir gehen durch ein Bild in ein Bild, wir kennen das als schön und alt, und ich sage Arno, und ich sage Flüsse und Städte und Donau und Sophienbrücke - die Brücke unserer Kindheit -, sie heisst jetzt anders, ist nicht berühmt, aber doch grüner Fluß und Ufer und weiter Blick und eine Luft, die anders ist - eine nicht ganz so alte Brücke…
(Aus: Jungfrau und Reptil. Leben zwischen 1945 und 1972. Suhrkamp, 1982)

Der Nebel lichtet sich: Doderer und die Villa Rasper

Anlässlich der Wiener Festwochen 2010 widmete sich das Bezirksmuseum Landstraße dem sehr lobenswerten Unterfangen, Schauplätzen aus Heimito von Doderers Romanen nachzuspüren. Wiewohl im Zentrum der Recherche der dritte Bezirk stand, überquerten die an dieser nicht unaufwändigen Unternehmung beteiligten Mitarbeiter dankenswerterweise auch den Donaukanal und konnten – große Freude! – unter anderem Näheres zur Villa Rasper eruieren.

Villa Rasper, Fassadenskizze, 1875
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Neuer Wiener Tattersall, Böcklinstraße 24, ca. 1950

Foto: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek

Der Neue Wiener Tattersall (Schüttelstraße 19a/Böcklinstraße 24), 1885/86 errichtet, verfügte über eine 38 Meter lange Reitbahn und bot nach seiner Erweiterung (1896) Raum für 120 Pferde. Das obige Foto zeigt die Überreste des architektonisch auf die Backsteingotik verweisenden Gebäudes. Mit seiner Erwähnung in Heimito von Doderers Roman Der Grenzwald fand der Tattersall übrigens auch Eingang in die Literaturgeschichte.