Franz Kafkas Wiener Verwandtschaft: Richard Lanner, Rustenschacherallee 30 (1906–1923), Teil 2

Villa Lanner (später Heriot), 1907
Kurz nach der Fertigstellung: Die von Richard und Berta Lanner erbaute Villa in der Rustenschacherallee 30. Später wohnten darin Peter Habig, Ernst Lanners Schwager, sowie der französische Warenhauserbe Auguste-Olympe Hériot und seine Ehefrau Hilda (ab 1946 die Gattin von Louis Rothschild). Im Hintergrund links zu erkennen: Die geschichtsträchtige Villa Rustenschacherallee 28.

Prolog

»Nein, um Gottes Willen, ich bin noch nicht verlobt!«, schrieb Thomas Mann im Juni 1904 hektisch nach Wien. Die dramatische Post erging an Richard Schaukal, Ministerialbeamter, Schriftsteller und Schwiegersohn des enorm wohlhabenden mährischen Hutfabrikanten Johann Hückel (Neutitschein/Nový Jičín). Noch musste sich der offenbar sehr interessierte Schaukal einige Monate gedulden, bis schließlich Anfang Oktober die erlösende Frohbotschaft aus Bayern eintraf: Thomas Mann informierte den von ihm sehr geschätzten Korrespondenzpartner offiziell über seine Verlobung mit Katia Pringsheim. Das glückliche Paar hatte sich durch die gemeinsame Bekannte Elsa Bernstein, Münchner Schriftstellerin und Salonnière, kennen gelernt. Elsas Vater Heinrich Porges, bekanntlich ein enger Mitarbeiter Richard Wagners, wurde in diesem Blog ja schon prominent erwähnt: Als, wir erinnern uns, Schwager von Ottilie Hirschl-Porges-Natter, die im Pratercottage aufgewachsen und viele Jahre ansässig war [1].

Im selben Jahr, 1904 also, las Franz Kafka in Prag erneut Thomas Manns Novelle … WEITERLESEN.

»Dir, lieber Stern und Mathilden«. Ottilie Hirschl-Porges-Natter, Schüttelstraße 3

Ottilie Hirschl-Porges-Natter
Ottilie Hirschl-Porges-Natter, 1850-1926.
Heinrich Porges
Richard Wagners enger Mitarbeiter, Ottilie Hirschls Schwager, Heinrich Natters Freund: Der Musikwissenschafter Heinrich Porges.

Vor kurzem erwarb ich in einem meiner Lieblingsantiquariate jene Monografie über den Bildhauer Heinrich Natter (1844-1892), die seine Witwe Ottilie im Jahr 1914 veröffentlicht hatte. Ottilie, die Tochter des hier schon erwähnten Industriellen Moritz (Moriz) Hirschl, hatte das von mir erstandene Exemplar offenbar ihrer Schwägerin Mathilde Stern sowie deren Mann Samuel, einem renommierten Wiener Mediziner (1830-1915; siehe Eintrag im Biographischen Lexikon der Akademie der Wissenschaften), geschenkt und auch eine diesbezügliche Widmung verfasst. Ich muss gestehen, dass ich sehr bewegt war, als ich die Widmung las und mich gleichzeitig gefragt habe, wie denn dieses Buch überhaupt in Umlauf gekommen war, bzw. welche Vorbesitzer es hatte. Vielleicht meldet sich ja nun auf Grund dieses Blogbeitrages jemand, der über die Geschichte dieses speziellen Buches Bescheid weiß. In gewisser Weise jedenfalls ist Ottilie Hirschl, die am Schüttel aufgewachsen war und hier auch mit Heinrich Natter gelebt hatte, mit meinem Buch nun wieder in dieses Viertel, das sie sehr geliebt hatte (»Unser liebes, freundliches ›Schüttelhaus‹ – an der Ecke zur Franzensbrücke«, schrieb sie), zurückgekehrt.

Mathilde Stern, der diese Monografie also verehrt wurde, war die Schwester von Ottilies … WEITERLESEN.

Moritz Hirschl und der Kampf um die Schüttelstraße, 1872

Moritz Hirschl, Inserat, 1875
Aus: Wiener Salonblatt, 27. November 1875.

Die Nachwelt hat ihm keine Kränze geflochten. Im Gegenteil. Seinem Kontrahenten hingegen wurden Denkmäler gewidmet, Straßenbezeichnungen, und auch ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag. Jener Kontrahent also, der das Projekt schließlich zu Fall brachte – sein Name war Josef Schöffel – wurde zudem von Karl Kraus liebevoll verewigt, in der Fackel, wo er, der Kontrahent, auch mehrmals selbst publizierte.

Moritz (bzw. Moriz) Hirschl aber ging in die Geschichte ein als böser Industrieller, der den Wienerwald abholzen wollte.

Dieser Blickwinkel soll sich nun ändern, denn es gibt viel über ihn zu erzählen. Hirschl und seine Angehörigen waren für das Pratercottage von großer Bedeutung, hatten es, was nun völlig vergessen ist, in tatsächlich erheblicher Weise geprägt. Der sehr wohlhabende Unternehmer wohnte und arbeitete hier bis zu seinem Tod im Jahr 1883, war also umgeben von dichtem Baumbestand; vielleicht maß er auch, möglicherweise naiv, deshalb dem Wienerwald nicht jene Bedeutung zu, die der Grüngürtel für den Rest der Donaumetropole hatte. Bis heute jedenfalls finden sich Spuren seines Lebens in die Topographie dieses Viertels eingeschrieben. Die Recherche über ihn führt zu seinem guten Bekannten, dem Komponisten Karl Goldmark (Josef-Gall-Gasse 5), über dessen Begräbnis der als Kind im gleichen Haus … WEITERLESEN.