Der Verkauf der Entreprise des pompes funèbres an die Stadt Wien (1907)

Im Jahr 1907 wird die Entreprise des pompes funèbres – sie war, wie in diesem Blog schon erwähnt, 1868 von dem im Pratercottage ansässigen niederländischen Generalkonsul Owen Maurits Roberts van Son erworben  und danach in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden – an die Stadt Wien verkauft.  Treibende Kraft von Seiten des Verkäufers: Owen Maurits Roberts van Son, der dem Verwaltungsrat des Bestattungsunternehmens vorstand.

Dazu war in der Wiener Tageszeitung Die Zeit am 15. Februar 1907, Seite 4, unter dem Titel Verstadtlichung der Leichenbestattung Folgendes zu lesen (online auf ANNO):

»Vorgestern wurde nun der Vertrag unterzeichnet, wonach beide Unternehmungen, vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates und des Gemeinderates, an der wohl kaum zu zweifeln ist, am 1. April d. J. mit ihrem ganzen Fundus und ihrem Kundenkreis in das Eigentum der Gemeinde Wien übergehen, und zwar die Concordia um den Preis von 650.000 Kronen und die Entreprise um jenen von 1,700.000 Kronen. […|

Bezüglich der Entreprise wurde Folgendes vereinbart: Diese ist bekanntlich Aktiengesellschaft und wurde im Jahre 1870 unter dem Titel Erste Wiener Leichenbestattungsanstalt Entreprise des Pompes Funèbres gegründet. An der Spitze ihres Verwaltungsrates steht gegenwärtig Generalkonsul O. M. Roberts van Son. Das Aktienkapital beträgt eine Million Kronen Nominale, im … WEITERLESEN.

Die Ferstels, die Doderers, die Marxergasse: Simon von Wimpffen, Teil 1

Anastasia von Wimpffen, geb. Sina de Hodos et Kizdia, 1838–1889 (Wikimedia Commons)

»Die aus dem Mittelalter stammende Kapelle des im Triestingtale gelegenen Ortes Fahrafeld ließ die Besitzerin des Gutes Gräfin Wimpffen-Sina nach Plänen des Architekten Max Freiherrn von Ferstel heuer umbauen. Die feierliche Einweihung der Kapelle fand am 21. v. M. statt. Der Pottensteiner Gesangverein nahm aus diesem Grund Anlass, am Vorabende dieser Feier der durch ihren Wohltätigkeitssinn sich allseitiger Verehrung erfreuenden Gräfin ein Ständchen zu bringen. Des berühmten Heinrich Ferstels Sohn zeigte auch hier eine bedeutende künstlerische Individualität durch auserlesenen Geschmack und feinsinnige Empfindung.«
(Wiener Bauindustrie-Zeitung, 1. November 1888)

August Zichy de Zich et Vásonykeő, ehemals Gouverneur von Fiume (heute: Rijeka) und Obersthofmarschall, verstarb am 4. Oktober 1925. Anwesend bei der feierlichen Einsegnung im Palais Zichy-Sina in der Beckmanngasse 10–12, 1140 Wien (heute Sitz der nordkoreanischen Botschaft) waren laut Neuem Wiener Journal (8. Oktober 1925, S. 10; online auf ANNO) unter anderem der bedeutende Kunstmäzen Felix (von) Oppenheimer (ein Freund Hugo von Hofmannsthals und Enkel von Sophie und Eduard von Todesco; er wird nach dem »Anschluss« am 15. November 1938 Selbstmord begehen), der Architekt Max (von) Ferstel und seine Gattin Charlotte sowie Zichys Schwager … WEITERLESEN.

1921 und der Geist-Kreis: Emanuel Winternitz, Böcklinstraße 49, Teil II

1) Wien, Frühling 1921. In der Böcklinstraße 49, in einer schönen Mehrparteienvilla nahe der Jesuitenwiese, grübelte Emanuel Winternitz über Kant und Kelsen, über den Philosophen aus Königsberg und den Rechtswissenschaftler aus Wien. Letzterem war der angehende Jurist, auch als dessen Privatsekretär, eng verbunden. So wird er sich später (1923) etwa in die publizistische Schlacht werfen, um Hans Kelsen gegen dessen abtrünnigen Schüler Fritz Sander zu verteidigen1. Noch allerdings herrschte Ruhe an dieser Front, historisch Bedeutsames absorbierte die Aufmerksamkeit der Juristenzunft: Die österreichische Bundesverfassung war in Kraft getreten. Bei deren Entwurf war Winternitz mittendrin statt nur dabei:

»Die Erläuterungen zu dem Wehrgesetz hat, wie im dritten Teile, Herr Ministerialrat Dr. Georg Fröhlich gearbeitet.
Bei Durchführung der Korrekturen hat mich Herr cand. jur. Emanuel Winternitz unterstützt. Beiden Herren sage ich herzlichen Dank.
Wien, im September 1920.
Hans Kelsen.«
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Emanuel, geb. 1898, vielseitig interessiert, hochgebildet und ohne jegliche Allüren, hatte das Sophiengymnasium in der Leopoldstädter Zirkusgasse besucht und war im 1. Weltkrieg als Soldat an der italienischen Front gewesen. Er logierte bei seinem Stiefvater (sein leiblicher Vater Paul hatte 1904 Selbstmord verübt): Adolf Kappelmacher entstammte einer sozialdemokratischen Familie und führte eine Anwaltskanzlei. Zu Adolfs Freunden zählte, so berichtet sein Stiefsohn … WEITERLESEN.

O. M. Roberts van Son und die faszinierende Geschichte der Entreprise des pompes funèbres

Entreprise des pompes funebres, Illustration

Bestattungsunternehmen, die, wenig pietätvoll, vor den trauernden Angehörigen um die Leichname von kürzlich Verstorbenen rangeln? Im boomenden Wien der Gründerzeit war man damit bestens vertraut. Seit 1867 tobten hier Machtkämpfe rund um das lukrative Beerdigungsbusiness, ausgelöst durch den innovativen Trauerwarenhändler Franz Josef Grüll, dessen Entreprise des pompes funèbres die Bewilligung zur Ausübung des Bestattungsgewerbes erhalten hatte. Grüll, offenbar ein schlau kalkulierender PR-Profi, der mit der (vorerst noch kostenlosen) Organisation von Begräbnissen schon Monate vor Erhalt der behördlichen Konzession begonnen hatte, stand allerdings vor einem Problem: Die Konkurrenz aus dem kirchlichen Bereich wehrte sich erbittert gegen den neuen Rivalen. Beide Seiten agierten wenig zimperlich und so waren die folgenden Monate geprägt von wilden Inseratenkampagnen (1. Jänner 1868: »Gegen verkappte Mesner und Konduktansager!«), empörten Ehrenbeleidigungsklagen und false flag-Aktionen – kurz: Vor den Augen der Wiener entbrannte ein veritabler Kulturkampf. Als Schauplatz hierfür diente unter anderem das Palais des Großindustriellen Eduard von Todesco (Kärntner Straße Nr. 51), wo sich 1867 – und somit während der Errichtung der benachbarten Staatsoper! – Verkaufsräume der Entreprise befanden; das Büro war im Haus Kärntner Straße Nr. 21, erster Stock, angesiedelt.

Inserat Entreprise des pompes funebres, Palais Todesco, 1867
Neben der Baustelle der Hofoper (Staatsoper): Verkaufsräumlichkeiten der Entreprise des pompes funèbres im Palais Todesco
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1875, ca. Schüttelstraße 15: Schnitzeljagd mit k.u.k. Außenminister Andrássy

Exzerpt aus der Wiener Zeitung vom 15. Mai 1875 – Owen Maurits Roberts van Son, niederländischer Konsul und Geschäftsmann (Entreprise des pompes funèbres), wohnte damals mit Gattin Marie sowie den Kindern Mitzi und Constant als Nachbar der Familie Vetsera-Baltazzi am Schüttel:

Gyula Andrássy
K.u.k. Außenminister und ungarischer Nationalheld: Gyula Andrássy, ca. 1870. Foto: Josef Székely.

»Ein wenngleich nicht neuer, so doch bei uns bisher wenig betriebener Sport ist durch die Initiative des Herrn Roberts van Son in dieser Saison zu Ehren gekommen. In rascher Aufeinanderfolge wurden drei ›Schnitzeljagden‹ geritten und aller Wahrscheinlichkeit nach wird demnächst eine Wiederholung stattfinden, wenigstens wurde der ›Master‹ von allen Seiten dringend angegangen, die Jagdgesellschaft bald wieder zum Rendezvous einzuberufen, was er auch freundlich zusagte […] Während eben lebhaft debattiert wurde, ob die Jagd stattfinden oder verschoben werden sollte, galoppierten – es hatte indessen aufgehört zu regnen – von allen Seiten die Jäger dem Tiergarten zu und bald darauf ging es wieder lustig darauf los.

Unter den Anwesenden, ungefähr 25 an der Zahl, bemerkten wir diesmal auch Se. Exc. den Herren Minister des Äußeren Grafen Julius [sic!] Andrássy, ferner die Grafen Althann, Nikolaus Esterházy, Mr. Lethellier usw. Von den Damen waren Frau van Son und Frau … WEITERLESEN.

1872: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö. Owen Maurits Roberts van Son, Schüttelstraße ca. Nr. 15 sowie Rustenschacherallee Nr. 6 und Nr. 8

Wilhelm Richter: Kaiserliche  Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872
Wilhelm Richter: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872. Um das Bild in hoher Auflösung zu betrachten, anklicken oder diesem Link folgen.

Schon seit längerem sollte hier ein Text zu Owen Maurits Roberts van Son erscheinen, der ab ca. 1873 (Quelle: Lehmanns Adressbuch) bis zu seinem Tod im Jahr 1914 an mehreren Adressen im Pratercottage ansässig war und auch die nach wie vor existierende Villa in der Rustenschacherallee Nr. 6 erbaute. Das Problem: Die enorme Menge an Material, da der niederländische Generalkonsul, ein Reitsportfan, nicht nur als Teil der Szene rund um die mit ihm befreundeten Brüder Baltazzi bzw. Baron Gustav Springer Bedeutung erlangte (bereits 1870 taucht sein Name anlässlich der vom Jockey-Club neu eröffneten Tribüne in der Freudenau auf), sondern zudem mit einem Unternehmen verbunden war, dessen Nachfahre bis heute eine zentrale Rolle in der Wiener Infrastruktur einnimmt: Die Entreprise des pompes funèbres, nun als Bestattung Wien bekannt. Weitere Recherchen zur Familie Roberts van Son sowie zur Geschichte der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 führen überdies nach Hollywood und zur »Operation Walküre«, dem gescheiterten Attentat auf Hitler.

Es erscheint daher ratsam, den umtriebigen Niederländer zunächst in die Gesellschaft seiner Zeit einzubetten und, da sich im Pratercottage bekanntlich ja auch … WEITERLESEN.