Der Nebel lichtet sich: Doderer und die Villa Rasper

Anlässlich der Wiener Festwochen 2010 widmete sich das Bezirksmuseum Landstraße dem sehr lobenswerten Unterfangen, Schauplätzen aus Heimito von Doderers Romanen nachzuspüren. Wiewohl im Zentrum der Recherche der dritte Bezirk stand, überquerten die an dieser nicht unaufwändigen Unternehmung beteiligten Mitarbeiter dankenswerterweise auch den Donaukanal und konnten – große Freude! – unter anderem Näheres zur Villa Rasper eruieren.

Villa Rasper, Fassadenskizze, 1875

Die einst in der Böcklinstraße zwischen Sellenygasse und Tiergartenstraße angesiedelte Villa ist ja jenen, die schon seit längerem im Viertel ansässig sind, nach wie vor ein Begriff. Dennoch mangelte es seltsamerweise an konkreten Informationen zu diesem Gebäude. Nun lichtet sich der Nebel ein wenig: Laut Einreichplan von 1875 wurde es von der 1835 im russischen Tambow geborenen Fürstin Adelaide von Mordwinow in Auftrag gegeben, die wohl, so erzählen die Literatur-Forscher aus dem Bezirksmuseum, eine »interessante und schillernde Persönlichkeit« gewesen war. Vertraut man auf Berichte von Zeitzeugen, so setzte ihr Doderer (1896-1966), obwohl er die Fürstin persönlich nicht gekannt hatte, in seinen Frühwerken Jutta Bamberger (verfasst 1923; aus dem Nachlass veröffentlicht) und Die Bresche (1924) als »Adelaide Petrowna Fürstin Masunow« auch ein literarisches Denkmal. »Das kleine Palais der Fürstin Masunow lag weit vom Zentrum in der Villenvorstadt … der Park ringsherum verlieh … dem Gebäude eine gewisse Vereinzelung … trat dem Näherkommenden nur mit einem einfachen Säulenvorbau entgegen … Friede herrschte im ‚russischen Haus’ – so hieß es in der Nachbarschaft bald nach Adelaides Einzug …« liest man etwa in Jutta Bamberger.

Adelaide von Mordwinow, die ihren Wohnsitz Villa Bagatelle genannt hatte, starb 1906. Zwei Jahre nach ihrem Tod kaufte KR Rasper, der Besitzer des renommierten Porzellanfachgeschäftes Rasper & Söhne, die Villa von der in St. Petersburg wohnhaften Erbin und bewohnte sie gemeinsam mit seiner Familie auch bis 1945. [Laut Bezirksmuseum Landstraße begegneten sich Rasper und Doderer offenbar im Jahr 1921. So könnte der Schriftsteller auch Näheres zur Villa Bagatelle und der benachbarten Villa Liechtenstein erfahren haben, welche von Doderer wohl als »Villa Clayton« in Die Wasserfälle von Slunj literarisch verewigt wurde.]. 1951 wurde das Grundstück mit dem während des Krieges stark beschädigten Gebäude von der Stadt Wien für das Blindeninstitut erworben, 1957 kam es in den Besitz der Republik Österreich. Im Dezember 1962 schließlich erfolgte der Abbruchbescheid für die einstmals so stolze Villa. Heute befindet sich ihrer Stelle ein Parkplatz und eine kleine Sportanlage.

Die oben angeführten Informationen entstammen ebenso wie die Abbildung dem 2010 vom Bezirksmuseum Landstraße veröffentlichten Sonderheft Kleines Lesebuch für Heimitisten. Heimito von Doderer und die von ihm ungeliebte Landstraße. Die sehr lesenwerte Publikation ist im Bezirksmuseum erhältlich.

Bezirksmuseum Landstraße
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