Zwischen Schüttelstraße, Haarmarkt und Stephansplatz, Teil II: 1836

Friedrich von Amerling: Rudolf von Arthaber und seine Kinder
Friedrich von Amerling: Rudolf von Arthaber und seine Kinder Rudolf, Emilie und Gustav (1837). Sammlung: Österreichische Galerie Belvedere.

Wir vermelden den kraftvollen Auftritt des Textilunternehmers Rudolf Arthaber (1795–1867). Sein berufliches Hauptquartier befindet sich übrigens in der Goldschmidgasse [sic!] 595, an der Ecke zum Stephansplatz, die Angestellten haben das von William Turner skizzierte, von Rudolf von Alt gemalte Barockhaus Nr. 875 immer im Blick.1 Arthaber interessiert sich für Kunst – sehr sogar –, kann sich aber auch für Immobiliendeals erwärmen. Und so erstand er 1835 exakt jenes Gebäude, in dem wir als Mieter eben noch Ignaz Mack und seine Familie angetroffen hatten: Das Objekt Haarmarkt 642.2 Gleich ihm ergreifen auch andere flott die Chance, sich Haus- und Grundbesitz in diesem begehrten Viertel einzuverleiben. Der Historiker Theodor von Karajan etwa (der Urgroßvater des Dirigenten), ein Wiener mit griechischen Wurzeln, erwarb um 1834 das Gebäude 728 Ecke alter Fleischmarkt/Rothenthurm Straße (Fleischmarkt 1/Rotenturmstraße 20) und bezog dort eine Wohnung.3

Stock-im-Eisenplatz-Stephansplatz 875–ca.1837
Der Stephansplatz und seine Umgebung inklusive Konskriptionsnummern, ca. 1837. 

Auch Vinzenz Mack wollte sich den verlockenden Möglichkeiten des Immobilienmarktes nicht entziehen. Als er am 30. Oktober 1836 verstirbt4, so geschieht dies nicht am Schüttel, sondern im Schatten des Stephansdomes: Mack war der neue Besitzer des von Malern so sehr geschätzten Gebäudes Stock-im-Eisen-Platz 875.5 Und Lazar Goldstein, den wir dort kürzlich als Mieter vorfanden? Er hatte sich 1834 erneut vermählt, mit Katharina Landauer, einer Tochter des bekannten Großhändlers Isak Gabriel Landauer.6 Man findet ihn nun wahlweise a) nach wie vor im Haus 875 sowie b) am alten Fleischmarkt 707 (dieses Gebäude ist übrigens im Besitz von Ferdinand von Suttner, dem Großvater von Arthur Gundaccar von Suttner)7 – die Situation ist rund um 1836 also etwas unklar. Bleibt schließlich noch die entscheidende Frage nach dem Wohnsitz von Ignaz Mack. Nun, er war mit seiner Familie in die Schüttelstraße, zur Zuckerraffinerie, übersiedelt. Ist er gekommen, um zu bleiben?

Taufbuch ignatia-1837
1837 wurde Ignatia (Ignazia), die Tochter von Ignaz Mack und spätere Fürstin Wrede (Schloss Mondsee), geboren. Die Familie wohnte nun am Schüttel (=Jägerzeile 16). Auszug aus dem Taufbuch der Pfarre St. Johann Nepomuk (fol. 100, Digitalisat bei Matricula online)

1 In dem Gebäude Goldschmidgasse 595 war bis zu ihrer Übersiedlung nach Döbling (die spätere Villa Wertheimstein) auch Arthabers berühmte Gemäldesammlung untergebracht. Siehe Neuestes Gemälde von Wien in topographischer, statistischer, commerzieller, industriöser und artificieller Beziehung , 1837, Seite 109 (Digitalisat auf Google Books).

2 Eintrag zum Van-Swieten-Hof im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien, abgerufen am 30. August 2016.

3 »Theodor v. Karajan, woh. am alten Fleischmarkt 728«. In: Hof- und Staats-Schematismus des österreichischen Kaiserthums, 1837, Seite 249 (Digitalisat auf Google Books).

4 Wiener Zeitung, 3. November 1836, Anhang, Seite 1400 (Digitalisat auf ANNO).

5 Neuester, verbesserter Schema aller in der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und in ihren Vorstädten befindlichen Häusern…, 1837/39 (Digitalisat in der Wienbibliothek). Hier ersieht man auch, dass sich das in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Gebäude Zum roten Apfel (Konskriptionsnummer 878 (später: Singerstraße 3) im Besitz von Ignaz Mack (später: Ignaz von Mack) befand.

6 Das Jahr der Hochzeit wurde Georg Gauguschs Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. Band A-K (Amalthea, 2011) entnommen. Lazar Goldsteins zweite Ehefrau Katharina (1807–1879) war die Tante von Emma, Charlotte und Hermine Schey von Koromla – die Töchter ihres Bruders Joseph (Josef) waren mit dem einflussreichen Wiener Industriellen, Bankier und Großhändler Friedrich Schey von Koromla vermählt (siehe Joseph Landauers Profil auf geni.com). Und sie war die Schwägerin von Moritz Ritter von Goldschmidt, dem Prokuristen der Wiener Rothschilds sowie Freund des deutschen Bankiers Gerson von Bleichröder. Wir sind ihm schon im Text zu Rudolf Biedermann de Turony und Else von Bleichröder (Rustenschacherallee 28) begegnet.

7 L. G. Goldstein 1836 am Stephansplatz 875 (siehe Digitalisat der Österreichischen Nationalbibliothek) bzw. 1837 am alten Fleischmarkt 707, heute Fleischmarkt 17 (siehe Digitalisat auf Google Books).