Zwischen Franzens- und Sophien/Rotundenbrücke, 1835

»Unter der Franzensbrücke beginnt schon der Prater, aber auch hier haben die Häuser die Bäume zurückgedrängt, und mehrere stattliche Gebäude stehen am Ufer. Unter der großen von Mack’schen Zuckerraffinerie ist das sehr besuchte Schüttelbad mit einem anstoßenden Wirthshausgarten, zwischen beiden führt ein Durchgang hinüber in die große Allee. Weiterhin folgt eine Meierei, welche dem Fürsten Liechtenstein gehört. Es ist ein freundliches modernes Gebäude, dessen Mittelpunkt ein Saal bildet, welcher Fenster in die anstoßenden Pferde- und Hornviehställe hat. In demselben hängen acht sehr große vorzügliche Gemälde von J. G. von Hamilton 1701 gemalt. Sie stellen einzelne ausgezeichnete Rassepferde vor. Mit Beziehung auf diese Pferde trägt der Saal außen die Inschrift: ›Laboris patiens in bello intrepidum Neptuni genus‹. Von dem Gebäude bis zur Praterwiese zieht sich eine heitere Gartenanlage hin, welche auch eine Sommerreitschule enthält. Nun folgen Gemüsegärten, im Kanale stehen zwei Hütten für unentgeltliche Strombäder, und endlich hat man das Freie erreicht. Man steht an einer großen, mit herrlichen Baumgruppen besetzten Wiese, vor dem Sophien-Kettenstege,  jenseits die Vorstadt Erdberg mit dem Rasumovskischen Garten; etwas zurück ragt der Stephansturm empor. Es ist ein sehr malerischer Standpunkt.

Friedrich August Brand (1735-1806), Ein Hirschenstadl im Prater

Links zieht sich ein Pfad am Wäldchen hin, der dann mit der Straße von der Brücke zusammentrifft und quer über die Wiese zum Hirschenstadl an der großen Allee führt. Man schneidet hier jene Straße, welche vom Anfange des Praters hinter dem Cirkus herführt. Bei der Sophienbrücke stehen sehr alte majestätische Weißpappeln, eine der schönen Gruppen dieser Bäume, welche der Orkan des Jahres 1807 verschonte, der im Prater noch ärgere Verwüstungen anrichtete als im Augarten. Ein älterer Topograph schilderte diese schönen Partien mit folgenden Worten: ›Auch dieser Teil hat sein eigenes Publikum. Statt leichtfüßiger Stutzer treiben sich hier flüchtige Hirsche um ihren Stadel; statt der schönen weiblichen Formen sieht man ausgezeichnet schöne Schweizerkühe weiden; statt der türkischen Musik hört man Lerchen und Wachteln und das Gerassel kletternder Eichhörnchen; und nahe an dem Lusthause krächzen Schwärme von Raben lieblicher als manches schnarrende Flötenwerk in den Ringelspielen.‹«

(Aus: Adolf Schmidl, Wien’s Umgebungen auf 20 Stunden im Umkreise, 1835)