Denkschrift des Vereines zur Unterstützung mittelloser israelitischer Studierender in Wien: Arnold Ascher, Laufbergergasse 8/Böcklinstraße 2 (ca. 1906–1938)

Eigentlich war er ja in die Fußstapfen seines Schwiegervaters getreten. Schon Moriz Friedländer, der bedeutende Religionsphilosoph, hatte als Generalsekretär der von Baron Maurice de Hirsch, einem Förderer von Kronprinz Rudolf, initiierten karitativen Stiftung agiert. Nun erfüllt Arnold Ascher diese Aufgabe und bemüht sich intensiv um die finanzielle Unterstützung ärmlicher Landstriche in der Donaumonarchie, namentlich in Galizien und der Bukowina. Parallel dazu engagiert sich der fleißige Jurist und Bruder des Komponisten Leo Ascher überdies in der jüdischen Vereinigung B’nai B’rith. Letztere findet sich prominent auch in einer schön gestalteten Denkschrift aus dem Jahr 1911 wieder, die sich auf Stipendien für jüdische Studenten in Wien bezieht, wohl dank Aschers tatkräftiger Mitwirkung entstand und einen von ihm verfassten, ganzseitigen Artikel enthält. Sein Beitrag wird hier umrahmt von Texten, Zeichnungen und musikalischen Skizzen, die Sigmund Freud, Arthur Schnitzler (und auch sein Bruder), Vater und Sohn Korngold, Wilhelm Jerusalem, die Maler Jehudo Epstein, Isidor Kaufmann, Lazar Krestin und Emil Ranzenhofer, der renommierte Chemiker Adolf Lieben, der Neurologe Moriz Benedikt, der Orientalist David Heinrich Müller oder auch der Talmud-Experte Samuel Krauss (seine Tochter wohnte übrigens in der Böcklinstraße) zu diesem Anlass beisteuerten. Schwiegervater Moriz sowie Arnolds »Nachbarn«, Bruder Leo nämlich und der Komponist Karl Goldmark – sie residierten in Aschers unmittelbarer Umgebung – finden sich selbstverständlich ebenfalls in diesem Werk.

Faszinierend gestaltet sich zudem das Studium der wohltätigen und von der gesellschaftlichen Bedeutung universitärer Bildung überzeugten Spender, vorwiegend Mitglieder des jüdischen Wiener Großbürgertums, deren Namen in die Annalen der »Ringstraßenzeit« eingingen. Angeführt wird die Liste vom Industriellen Leopold Ritter von Lämel, einem Mitbegründer der Creditanstalt, der sich etwa auch um die Erhaltung des alten jüdischen Friedhofes in Prag verdient gemacht hatte. Ihm folgen unter anderem Gustav Ritter von Epstein, die Familien Ephrussi, Königswarter, Auspitz, Thorsch, Gutmann, Rothschild, Todesco und Zwieback sowie, mit dem Ehepaar Moriz und Racheline Goldberger, Mitglieder der großteils in Konstantinopel und Paris tätigen Bankiersdynastie Camondo. Mit Josef Breuer taucht zudem ein Mitbegründer der Psychoanalyse im Verzeichnis auf. Der letzte Eintrag betrifft die Spende von »Dr. S. Elias« (vermutlich der angesehene Wiener Rechtsanwalt Dr. Salomon Elias, dessen Kanzlei sich im Palais Wickenburg, Gonzagagasse 1, befand).

Als Arnold Ascher, der 1867 als Sohn eines Schirmfabrikanten im mährischen Triesch/Třešť geboren wurde, diese Denkschrift in Händen hielt, lebte er schon im Pratercottage, gemeinsam mit seiner Familie, im Haus Laufbergergasse 8. Auch die folgenden knapp drei Jahrzehnte wohnt er in diesem Gebäude, das den Beginn der Böcklinstraße markiert und sich so nahe am Riesenrad befindet. 1938, sofort nach dem »Anschluss«, in der Nacht vom 12. auf den 13. März, wird der herzkranke Mann von SS-Männern aus der Wohnung gezerrt und weggeschleppt. »Wir haben nie erfahren, warum Vater zu den allerersten Verhafteten gehört hat«, berichtet später seine Tochter, die Designerin Hilde Wagner-Ascher (in: Hans Safrian, Hans Witek: Und keiner war dabei. Picus Verlag, Wien 2008). Vielleicht, so vermutete die Familie damals, hätte man ihn für eine führende Persönlichkeit des Wiener Judentums gehalten. Arnold Ascher verstarb vier Wochen später unter nicht ganz geklärten Umständen im Gefängnis in der Wiener Landesgerichtsstraße. Seine Frau Regine, Moriz Friedländers Tochter, wird 1941 von den Nazis nach Minsk deportiert und ermordet.

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