20. Mai 1867: Generalversammlung der Wiener Dampfmühlen-Aktiengesellschaft, Schüttelstraße 19

Dampfmühle am Schüttel
Bezauberte 1867 ihre Aktionäre: Die Dampfmühle am Schüttel.

»Bei freiem Entrée für die Berichterstatter fand heute die 26. ordentliche Generalversammlung der Dampfmühlen-Aktiengesellschaft im Mühlengebäude am Schüttel statt. Mit Bangen betraten wir die geheiligten Räume, die wir als Ausgestoßene seit Jahren nur aus scheuer Entfernung zu betrachten gewagt, und mit Spannung harrten wir der Dinge, die da kommen sollten. Zunächst wurden den anwesenden 26 Aktionären (mit Einschluss der Verwaltungsräte) vom Vorsitzenden Dr. Höchsmann mitgeteilt, dass die Statthalterei den im vorigen Jahre beratenen Statuten nach einigen unwesentlichen Änderungen die Genehmigung erteilt habe. Hierauf folgte die Verlesung des Geschäftsberichtes, welcher die eingetretene Entwertung des Papiergeldes und die Erhöhung der Getreidepreise, erstere mit, letztere jedoch ohne Bedauern, erwähnt. Ferner wird zur Kenntnis gebracht, dass ein neues Gebäude und neue Maschinen zur Trockenvermahlung hergestellt wurden. […]

Bevor jedoch die Abstimmung vor sich geht, bringt Baron Sommaruga (Bruder des Verwaltungsrats) mehrere Übelstände zur Sprache. Namentlich rügt er die Höhe des Debitorenkontos, welches 302,265 fl. 75 kr. beträgt usw. Die anwesenden Aktionäre sind jedoch von dem ihnen bevorstehenden, wie es scheint seltenen Genuss einer Superdividende so bezaubert, dass sie dem Vertreter ihrer Interessen nur unwillig Gehör schenken. Am ungeduldigsten benehmen sich bei dieser Gelegenheit einige Aktionäre von … WEITERLESEN.

Moritz Hirschl und der Kampf um die Schüttelstraße, 1872

Moritz Hirschl, Inserat, 1875
Aus: Wiener Salonblatt, 27. November 1875.

Die Nachwelt hat ihm keine Kränze geflochten. Im Gegenteil. Seinem Kontrahenten hingegen wurden Denkmäler gewidmet, Straßenbezeichnungen, und auch ein ausführlicher Wikipedia-Eintrag. Jener Kontrahent also, der das Projekt schließlich zu Fall brachte – sein Name war Josef Schöffel – wurde zudem von Karl Kraus liebevoll verewigt, in der Fackel, wo er, der Kontrahent, auch mehrmals selbst publizierte.

Moritz (bzw. Moriz) Hirschl aber ging in die Geschichte ein als böser Industrieller, der den Wienerwald abholzen wollte.

Dieser Blickwinkel soll sich nun ändern, denn es gibt viel über ihn zu erzählen. Hirschl und seine Angehörigen waren für das Pratercottage von großer Bedeutung, hatten es, was nun völlig vergessen ist, in tatsächlich erheblicher Weise geprägt. Der sehr wohlhabende Unternehmer wohnte und arbeitete hier bis zu seinem Tod im Jahr 1883, war also umgeben von dichtem Baumbestand; vielleicht maß er auch, möglicherweise naiv, deshalb dem Wienerwald nicht jene Bedeutung zu, die der Grüngürtel für den Rest der Donaumetropole hatte. Bis heute jedenfalls finden sich Spuren seines Lebens in die Topographie dieses Viertels eingeschrieben. Die Recherche über ihn führt zu seinem guten Bekannten, dem Komponisten Karl Goldmark (Josef-Gall-Gasse 5), über dessen Begräbnis der als Kind im gleichen Haus … WEITERLESEN.

Exkurs: 16, Place Vendôme, Paris. Auf der Suche nach dem Wiener Starfotografen Franz Löwy (1883-1949)

Franz Löwy: Die Wiener Tänzerin Ossy Rondyer
Die Wiener Tänzerin mit ihren Lieblingen: Das für Franz Löwy sehr typische Porträt von Ossy Rondyer erschien im August 1928 im Magazin Frisierkunst der Mode.

[Anmerkung: Ob der Wiener Fotograf Franz Löwy, dessen Arbeiten die heimischen Lifestyle-Zeitschriften vor dem »Anschluss« in erheblichem Maße prägten, eine nähere Beziehung zum Pratercottage hatte – ich weiß es nicht. Wiewohl: Ja, er war vermutlich mit Emil Mayer gut bekannt. Dieser Artikel jedenfalls entstand im Bemühen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, da zu Löwys Dependance in Paris sowie zu seinem Schicksal nach 1938 bis dato kaum Informationen auffindbar waren.]

Ein Text über 16, Place Vendôme könnte durchaus um Henry Miller kreisen. In diesem Fall hätten wir ein nobles Pariser Gebäude, angesiedelt an einem der teuersten Plätze der Seine-Metropole, sowie einen in der Montparnasse-Bohème verankerten US-Schriftsteller – und dennoch würde besagte Abhandlung auch nach Wien führen. Wir könnten, falls wir an komplizierten biographischen Querverweisen interessiert wären, sogar den wilden William S. Burroughs ins Spiel bringen, ebenso Nabokov mit seiner Lolita. Wir könnten Seite um Seite füllen mit ambitionierten Analysen zu erotischer Belletristik im 20. Jahrhundert, zur Geschichte ausufernder Literaturskandale, zu umstrittenen Verlegern, empörten Journalisten und erfreuten Lesern. Kurz: Wir könnten uns … WEITERLESEN.

Mary Dear am Donaukanal: Die Häuser der Familien Vetsera und Baltazzi, Schüttelstraße 7-9 (ehemals 11, ab 1870) und Praterstraße

Mary Vetseras Geburtshaus am Schüttel.
»Ein zweistöckiges Haus mit breiter Einfahrt, darüber ein breiter Balkon in der Beletage«: Das Geburtshaus von Mary Vetsera in der Schüttelstraße. Foto: Baltazzi-Scharschmid/Swistun, Die Familien Baltazzi-Vetsera im kaiserlichen Wien.

Sultan Abdülmecid I. war, so wird erzählt, ein durchaus fortschrittlicher Mann. Theodore Baltazzi wird dies – vielleicht erfreut? – registriert haben. Der einflussreiche, in Konstantinopel ansässige Finanzmagnat unterstützte viele Projekte der Hohen Pforte, gemeinsam mit Bankiers wie den später in Paris bestens bekannten Camondos (Angehörige dieser Familie lebten übrigens auch in Wien). Der geschäftstüchtige Theodore verfügte zudem über eine weitere, ebenfalls ergiebige Einkommensquelle: Er kassierte die Mautgebühren für die Galata-Brücke, jene legendäre Überquerung des Goldenen Horns, die nach wie vor zum Pflichtprogramm ambitionierter Istanbul-Touristen zählt. Theodore Baltazzi ist aber auch für das Pratercottage von Bedeutung: Er war der Großvater von Mary Vetsera.

Haus Vetsera, Plan von Vazquez
Der Schüttel aus der Sicht von Carl Graf Vazquez (1830): Links im Bild ist das spätere Vetsera-Wohnhaus zu sehen.

Als nämlich der österreichische Diplomat Albin Freiherr von Vetsera (1825-1887) mit seiner um vieles jüngeren Frau Helene (1847-1925), geborene Baltazzi, Theodores Tochter und angeblich »das reichste Mädchen von Konstantinopel«, um 1870 einen Wohnsitz in Wien suchte, fiel ihre Wahl auf ein Gebäude am Donaukanal, das erstaunlicherweise auch an jene … WEITERLESEN.

Denkschrift des Vereines zur Unterstützung mittelloser israelitischer Studierender in Wien: Arnold Ascher, Laufbergergasse 8/Böcklinstraße 2 (ca. 1906–1938)

Eigentlich war er ja in die Fußstapfen seines Schwiegervaters getreten. Schon Moriz Friedländer, der bedeutende Religionsphilosoph, hatte als Generalsekretär der von Baron Maurice de Hirsch, einem Förderer von Kronprinz Rudolf, initiierten karitativen Stiftung agiert. Nun erfüllt Arnold Ascher diese Aufgabe und bemüht sich intensiv um die finanzielle Unterstützung ärmlicher Landstriche in der Donaumonarchie, namentlich in Galizien und der Bukowina. Parallel dazu engagiert sich der fleißige Jurist und Bruder des Komponisten Leo Ascher überdies in der jüdischen Vereinigung B’nai B’rith. Letztere findet sich prominent auch in einer schön gestalteten Denkschrift aus dem Jahr 1911 wieder, die sich auf Stipendien für jüdische Studenten in Wien bezieht, wohl dank Aschers tatkräftiger Mitwirkung entstand und einen von ihm verfassten, ganzseitigen Artikel enthält. Sein Beitrag wird hier umrahmt von Texten, Zeichnungen und musikalischen Skizzen, die Sigmund Freud, Arthur Schnitzler (und auch sein Bruder), Vater und Sohn Korngold, Wilhelm Jerusalem, die Maler Jehudo Epstein, Isidor Kaufmann, Lazar Krestin und Emil Ranzenhofer, der renommierte Chemiker Adolf Lieben, der Neurologe Moriz Benedikt, der Orientalist David Heinrich Müller oder auch der Talmud-Experte Samuel Krauss (seine Tochter wohnte übrigens in der Böcklinstraße) zu diesem Anlass beisteuerten. Schwiegervater Moriz sowie Arnolds »Nachbarn«, Bruder … WEITERLESEN.

Die Witkowitzer Eisenwerke – Denkschrift 1928

Wer niemals in Witkowitz gewesen ist, kann nicht ermessen, welchen
gigantischen Umfang diese Unternehmung besitzt. Sie umfasst eine ganze
Stadt, die größer als beispielsweise Znaim ist und die tief in das Weichbild
Mährisch-Ostraus ihre eisernen Arme hinüberstreckt.
Aus: Das Mammutwerk Witkowitz (Die moderne Welt, Heft 6, 1924. Online auf anno)

Aus mysteriösen Gründen sind die riesigen Witkowitzer Eisenwerke, die sich bis zu ihrer »Arisierung« im Besitz der Wiener Familien Rothschild und Gutmann (siehe Text zu Rositta Gutmann, Rustenschacherallee/Böcklinstraße) befanden, in Österreichs kollektivem Gedächtnis kaum präsent. Zu Unrecht: Einst war diese mährische Unternehmung von großer wirtschaftlicher Bedeutung – sowohl für die Donaumonarchie als auch für die 1. Republik – und beschäftigte zeitweise mehr als 30.000 Menschen. Selbst die Geschichte der heimischen Bahn wäre ohne Witkowitz/Vitkovice, das, so der Plan in den Pioniertagen der nunmehrigen ÖBB, mittels rascher und leistungsfähiger Lokomotiven an Wien angeschlossen werden sollte, anders verlaufen. Die tschechische Nationalbibliothek hat im Zuge ihres Digitalisierungsprojekts nun zwei Foto-Broschüren der Eisenwerke online gestellt. Die erste stammt aus dem Jahr 1914, als Heinrich Wiedmann (ca. 1843-1916), der viele Jahre erfolgreich als Prokurist die Agenden der Gebrüder Gutmann vertrat, gemeinsam mit seiner Familie die Villa in der Böcklinstraße 35 … WEITERLESEN.