Stammtafel mit Ignatia von Mack und Rudolf von Marogna-Redwitz

Nachfolgend: Ein Auszug der Stammtafel von Ignatia von Mack (Zuckerraffinerie am Schüttel), die uns zuletzt in einem Text über ihre Schwester Rosa begegnete. Hier findet sich nämlich, für viele vermutlich überraschend, auch Rudolf von Marogna-Redwitz wieder, der nach dem »Anschluss« 1938 als Leiter der deutschen Abwehr eine Villa in der Böcklinstraße bewohnte, im österreichischen Widerstand tätig war und 1944, nach der gescheiterten Operation Walküre, als Verbündeter von Stauffenberg in Berlin hingerichtet wurde. Ergänzend erwähnt wird überdies eine biografische Verknüpfung mit den Gebrüdern Klein (Franzensbrückenstraße bzw. Brünn/Brno). Als Quellen dienten u. a. The Peerage und Geneall.

Infografik Mack-Arco-Marogna

1848: Leopold Lažanský von Bukowa und Rosa von Mack (ca. Schüttelstraße 9)

Lazansky-Platz mit Kaiser Josef II.-Denkmal
Der Lažanskýplatz in Brünn (Brno) auf einer Aufnahme aus ca. 1910. In der Bildmitte ist das 1892 enthüllte Denkmal von Kaiser Joseph II. zu sehen.

Nun lautet seine offizielle Bezeichnung also: Moravské náměstí, auf Deutsch: Mährischer Platz. Ein klug gewählter, weil politisch harmloser Name, der jedweden Systemwechsel problemlos überdauern wird. Dies war nicht immer der Fall, im Gegenteil. Die Benennungen dieses Brünner Platzes spiegelten in ihrer Abfolge auf bemerkenswerte Weise die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts wieder: Lažanskýplatz, Kaiser-Josef-Platz, Lažanského náměst (Lažanský-Platz), Adolf-Hitler-Platz, náměstí Rudé armády (Platz der Roten Armee, bis 1990).

Leopold Lazansky von Bukowa
Mährischer Statthalter: Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860).

Leopold Lažanský von Bukowa (1808-1860), an den dieser Platz ab 1860 fast durchgehend bis 1939 erinnerte, hatte seit 1849 als Statthalter von Mähren amtiert. In seiner konservativ-absolutistisch geprägten Amtszeit begann die rasante Industrialisierung des Kronlandes, befeuert unter anderem durch die wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbahn. Zu jenen, welche die Gunst der Stunde nutzten, zählte übrigens auch der aus Leipnik (Lipník nad Bečvou) stammende Wilhelm von Gutmann, welcher um 1850, wie er in seiner Autobiografie Aus meinem Leben (1891) erzählt, in den Kohlenhandel einstieg und später zu einem der reichsten Unternehmer Mitteleuropas wurde. Der Aristokrat Lažanský selbst entstammte einer politisch einflussreichen … WEITERLESEN.

1875, ca. Schüttelstraße 15: Schnitzeljagd mit k.u.k. Außenminister Andrássy

Exzerpt aus der Wiener Zeitung vom 15. Mai 1875 – Owen Maurits Roberts van Son, niederländischer Konsul und Geschäftsmann (Entreprise des pompes funèbres), wohnte damals mit Gattin Marie sowie den Kindern Mitzi und Constant als Nachbar der Familie Vetsera-Baltazzi am Schüttel:

Gyula Andrássy
K.u.k. Außenminister und ungarischer Nationalheld: Gyula Andrássy, ca. 1870. Foto: Josef Székely.

»Ein wenngleich nicht neuer, so doch bei uns bisher wenig betriebener Sport ist durch die Initiative des Herrn Roberts van Son in dieser Saison zu Ehren gekommen. In rascher Aufeinanderfolge wurden drei ›Schnitzeljagden‹ geritten und aller Wahrscheinlichkeit nach wird demnächst eine Wiederholung stattfinden, wenigstens wurde der ›Master‹ von allen Seiten dringend angegangen, die Jagdgesellschaft bald wieder zum Rendezvous einzuberufen, was er auch freundlich zusagte […] Während eben lebhaft debattiert wurde, ob die Jagd stattfinden oder verschoben werden sollte, galoppierten – es hatte indessen aufgehört zu regnen – von allen Seiten die Jäger dem Tiergarten zu und bald darauf ging es wieder lustig darauf los.

Unter den Anwesenden, ungefähr 25 an der Zahl, bemerkten wir diesmal auch Se. Exc. den Herren Minister des Äußeren Grafen Julius [sic!] Andrássy, ferner die Grafen Althann, Nikolaus Esterházy, Mr. Lethellier usw. Von den Damen waren Frau van Son und Frau … WEITERLESEN.

Exkurs: Ein Spaziergang im Währinger und Döblinger Cottage

Cottage-Sanatorium

Am 21. Jänner 1919 wurden die österreichischen Tageszeitungen von den Ergebnissen der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung (19. Jänner 1919) dominiert, den ersten reichsweiten Wahlen nach der Novemberrevolution 1918. An diesem Tag quartierte sich Bianca Blum-Gentilomo im Cottage-Sanatorium, Sternwartestraße 74, 1180 Wien ein. Dort wird sie die nächsten Wochen verbringen und am 16. März wieder in die Böcklinstraße zurück kehren. Warum Blum-Gentilomo die noble Krankenanstalt aufsuchte, ist nicht bekannt.

Kürzlich spazierte ich, mit einem Buch in der Hand, durch das Währinger und Döblinger Cottage, stand plötzlich vor dem einstigen Sanatorium und war sofort gefesselt. Ausgerechnet hier, fernab der Wiener Innenstadt, lässt sich also eine fast rührende Bekundung der Freundschaft zwischen dem stolzen Serbien und dem mächtigen Russland entdecken: An dem imposanten Eckgebäude, das seit den 1950er Jahren in russischem Besitz ist, nämlich prangt neben dem eleganten Eingangsbereich eine bemerkenswerte Gedenktafel. Sie erinnert an Laza Kostić: Der Schriftsteller, Poet und Shakespeare-Übersetzer, der zudem als nationalistischer serbischer Politiker in die Balkan-Geschichte einging, war 1910, als Patient des Cottage-Sanatoriums, in diesem Haus verstorben. (Auch der kränkelnde Prinz Mirko von Montenegro hatte sich hier übrigens während des 1. Weltkriegs kurz einquartiert, woran allerdings keine Tafel erinnert. Der Prinz verschied schließlich 1918 im Sanatorium Löw in … WEITERLESEN.

Biedermann-Turony, Bleichröder und die Villa Rustenschacherallee 28, Teil I

Gerson Bleichröder, 1893
Er zählte zu den weltweit einflussreichsten Finanzmagnaten: Gerson von Bleichröder (1822-1893), Berliner Bankier und enger Vertrauter Otto von Bismarcks, auf seinem Totenbett.

Dieses Zusammentreffen wäre möglich gewesen. Und vielleicht ist es ja auch tatsächlich passiert. Vielleicht sind sie sich, in einem ganz bestimmten Zeitfenster rund um 1913/1914, an der Ecke Wittelsbachstraße und Rustenschacherallee begegnet, wohnten sie allesamt doch nur wenige hundert Meter voneinander entfernt im Pratercottage: Der kleine Elias Canetti, die politisch engagierten Kinder des Philosophen Rudolf Eisler – und Else von Biedermann-Turony, geborene Bleichröder, die Tochter von Bismarcks engem Vertrauten, der geliebte Augenstern dieses Berliner Bankiers, der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der internationalen Finanzwirtschaft zählte und als einer der reichsten Männer Deutschlands galt.

Canetti besuchte in oben angesprochenem Zeitfenster zudem die Schule in der Wittelsbachstraße – sie grenzte an die Biedermann-Bleichröder’sche Villa in der Rustenschacherallee 28 (damals: Prinzenallee). Von Hanns Eisler weiß man, dass er als Teenager regelmäßig Fußball spielte – auf der Jesuitenwiese, die sich vis-à-vis von eben jener Villa befand. Das hier auf Grund seiner jeweiligen Bewohner (der Großindustrielle Hans Emil Gutmann und seine Gattin Rositta, der US-Diplomat Leland B. Morris, der kommunistische Intellektuelle Ernst Fischer und seine von Hanns Eisler geschiedene Frau Lou) schon mehrfach … WEITERLESEN.

Der stille Amerikaner. Leland B. Morris, Rustenschacherallee 28
(1938-40)

Berlin, 11. Dezember 1941: Leland B. Morris wird ins Außenministerium zitiert, wo ihn Joachim von Ribbentrop über die deutsche Kriegserklärung an die USA informiert.

Der stille Amerikaner kam aus Ägypten. Ja, er war umtriebig gewesen in den letzten Jahren. Die auftragsgemäß absolvierte Reise nach Saudi-Arabien etwa. Die ungeahnten Möglichkeiten dort – Öl! Dhahran, das Bohrloch Nr. 1. Sollten also die USA im Königreich eine diplomatische Vertretung etablieren? Der stille Amerikaner war 1936 vor Ort gewesen. Er winkte ab: Nein, noch nicht.
Im Dezember 1938 füllt er, der stille Amerikaner aus Texas, sorgsam einen Meldezettel aus. Er hatte die Stadt, das Land, den Kontinent gewechselt. Nun lebt er in Wien, schon seit einiger Zeit. Auch seine Frau war mitgereist in die Donaumetropole: Marie Aimee, Mädchenname Zaba, geboren in Smyrna. Die beiden logieren in einer Villa am Rande des Praters. Vor ihren Fenstern liegt die Jesuitenwiese, still und schneebedeckt. Adolf Eichmann wohnt im selben Häuserblock. Der SS-Referent leitet die »Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien«, der stille Amerikaner ist als Generalkonsul, und somit höchstrangiger hiesiger US-Diplomat, für die Visa-Vergabe zuständig. Eine seltsame Nachbarschaft, fürwahr. Wer beobachtet hier wen?

Der stille Amerikaner also bemüht sich um Contenance. Seine Aufgabe ist schwierig. Wie … WEITERLESEN.

Mit dem Thronfolger in Écska: Felix von Harnoncourt, Laufbergergasse 12

Felix von Harnoncourt, Franz Ferdinand in Ecska (Ecka), 1901
Happy Hour in Écska (Ečka): Erzherzog Franz Ferdinand und Graf Felix Harnoncourt (2. und 3. v. l.).

Am 2. Jänner 1900 wurde in der Pariser Tageszeitung Le Figaro unverhohlen spekuliert, der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand habe seine große Liebe Sophie Chotek von Chotkowa in einer geheimen Zeremonie geheiratet. Die Franzosen nannten, basierend auf Gerüchten in der Wiener Gesellschaft, sogar den Ort der angeblichen Trauung: die kleine Gemeinde Écska (Ečka) in der Vojvodina – damals in Österreich-Ungarn gelegen, heute ein Teil von Serbien, ein idyllischer Weiler, der von einem zwischen 1816-1820 errichteten Schloss dominiert wird. Dieses Anwesen, das laut Erzählungen u. a. mit einem Konzert des damals neunjährigen Franz Liszt eingeweiht wurde, befand sich im Besitz von Graf Felix Harnoncourt (1857-1934), Franz Ferdinands Jagdfreund – er hatte es nach dem frühen Tod seiner Gattin Marianne Lazar de Écska (1867-1893) geerbt.

Nun, tatsächlich vermählten sich Sophie und Franz Ferdinand ein halbes Jahr später, am 1. Juli 1900, im böhmischen Reichstadt (Zákupy).

28. Juni 1914: Sarajevo.

Die von Harnoncourt erbaute Villa im Pratercottage wurde mittlerweile abgerissen. Das Kastel Ečka hingegen steht unter Denkmalschutz, präsentiert sich schmuck renoviert und beherbergt ein Hotel. Dessen Website ist auf deutsch abrufbar. Die einstigen Aufenthalte von Franz Ferdinand … WEITERLESEN.

»Weine nicht!«. Marianne Golz-Goldlust und Rosi Haala,
Böcklinstraße 34 (1943)

Marianne Golz-Goldlust
Marianne Golz-Goldlust (1895-1943). Foto: Wikipedia.

In seinem jüngsten Roman Der Kalte (Suhrkamp, 2013) bettet Robert Schindel die Namen Golz sowie Goldlust in das Geschehen ein und verweist somit auf die 1943 in Prag hingerichtete österreichische Sängerin Marianne Golz-Goldlust. Ein Anlass also, um hier an diese wunderbare Frau zu erinnern, die als Mitglied einer Widerstandsgruppe vielen tschechischen Juden das Leben rettete. Dies geschah auch mit Hilfe ihrer Schwester Rosi, verheiratete Haala, die in der Böcklinstraße Nr. 34 lebte. Rosi wohnte zudem genau vis-à-vis von jener Villa, in der Rudolf von Marogna-Redwitz, der Chef der deutschen Abwehr in Wien, logierte – nur die Straße musste überquert werden.

Kartenausschnitt Böcklinstraße
Bildausschnitt: Google Maps.

Marogna-Redwitz, der hohe NS-Offizier, allerdings engagierte sich, wie wir nun wissen, für den Widerstand: er unterstützte österreichische Aktivitäten (Fritz Molden, Alfons Stillfried uvm.) und wurde 1944 als Verbündeter von Stauffenberg hingerichtet. Sein beruflicher Aktionsradius erstreckte sich zudem bis nach Prag, in jene Stadt also, in der Marianne Golz-Goldlust konspirative Treffen abhielt und an die Verfolgten gefälschte Ausweise verteilte. Parallel dazu wurden über Rosi Haala in Wien die finanziellen Transaktionen der Flüchtlinge abgewickelt. Dennoch deutet derzeit nichts darauf hin, dass Haala und Golz-Goldlust näheren Kontakt zu Marogna gehabt hätten. Auch von … WEITERLESEN.