»Weine nicht!«. Marianne Golz-Goldlust und Rosi Haala,
Böcklinstraße 34 (1943)

Marianne Golz-Goldlust
Marianne Golz-Goldlust (1895-1943). Foto: Wikipedia.

In seinem jüngsten Roman Der Kalte (Suhrkamp, 2013) bettet Robert Schindel die Namen Golz sowie Goldlust in das Geschehen ein und verweist somit auf die 1943 in Prag hingerichtete österreichische Sängerin Marianne Golz-Goldlust. Ein Anlass also, um hier an diese wunderbare Frau zu erinnern, die als Mitglied einer Widerstandsgruppe vielen tschechischen Juden das Leben rettete. Dies geschah auch mit Hilfe ihrer Schwester Rosi, verheiratete Haala, die in der Böcklinstraße Nr. 34 lebte. Rosi wohnte zudem genau vis-à-vis von jener Villa, in der Rudolf von Marogna-Redwitz, der Chef der deutschen Abwehr in Wien, logierte – nur die Straße musste überquert werden.

Kartenausschnitt Böcklinstraße
Bildausschnitt: Google Maps.

Marogna-Redwitz, der hohe NS-Offizier, allerdings engagierte sich, wie wir nun wissen, für den Widerstand: er unterstützte österreichische Aktivitäten (Fritz Molden, Alfons Stillfried uvm.) und wurde 1944 als Verbündeter von Stauffenberg hingerichtet. Sein beruflicher Aktionsradius erstreckte sich zudem bis nach Prag, in jene Stadt also, in der Marianne Golz-Goldlust konspirative Treffen abhielt und an die Verfolgten gefälschte Ausweise verteilte. Parallel dazu wurden über Rosi Haala in Wien die finanziellen Transaktionen der Flüchtlinge abgewickelt. Dennoch deutet derzeit nichts darauf hin, dass Haala und Golz-Goldlust näheren Kontakt zu Marogna gehabt hätten. Auch von Erika Haala, Rosis Tochter, wurde, so ergaben Recherchen, der einst benachbarte deutsche Offizier in diesbezüglichen Gesprächen nie erwähnt. Leider kann man sie dazu nicht mehr erneut befragen: Die katholische Filmpublizistin, der man übrigens in der Autobiografie des US-Spitzenwissenschafters George Mandler begegnet (die beiden waren vor Mandlers Flucht aus Wien im Jahr 1938 befreundet), sie ist vor einigen Jahren verstorben. In der sehr berührenden, 1988 veröffentlichten Sammlung von Briefen, die Marianne Golz-Goldlust aus dem Gestapo-Gefängnis Pankrác an ihre Schwester in der Böcklinstraße schickte bzw. schmuggelte, findet sich – eher erwartungsgemäß – ebenfalls kein Hinweis. Ihr letztes Schreiben hatte Marianne am 5. Oktober 1943 verfasst:

Liebes Rosilein!

Hier nun mein letzter Gruß. Ich kann Dir nur mitteilen, dass ich das Spiel ums Überleben verloren habe. Ich werde versuchen als Heldin abzutreten. Weine nicht! Das Sterben ist hier etwas Alltägliches. Das Leben war bis auf die letzten zwei Stunden schön. Bis zum letzten Augenblick hatten mich hier alle lieb. Bis zum letzten Augenblick war ich glücklich. Ich habe alles getan, dass mein Tod eines Tages gerächt wird. Ich bleibe in Deiner Erinnerung, in Deiner Nähe. Ich küsse Dich

Marianne

Marianne Golz-Goldlust wurde am 8. Oktober 1943 in Prag enthauptet. 1988 ernannte die israelische Gedenkstätte Yad Vashem diese tapfere, unbeugsame Frau zu einer »Gerechten unter den Völkern«. Die Wienerin ist mit heutigem Stand eine von 95 österreichischen Personen, die mit diesem Titel geehrt wurden.

LITERATUR
Marianne Golz-Goldlust, Der große Tag. Die Briefe und Kassiber der »Volksfeindin« Marianne Golz-Goldlust, geschrieben 1943 in einem Prager Gefängnis (Hrsg. Vera Gerasow. Gabriele Walter Verlag, Stuttgart, 1988)
Ronnie Golz, Ich war glücklich bis zur letzten Stunde. Marianne Golz-Goldlust 1895-1943 (Berliner Taschenbuch Verlag, 2004)