O. M. Roberts van Son und die faszinierende Geschichte der Entreprise des pompes funèbres

Entreprise des pompes funebres, Illustration

Bestattungsunternehmen, die, wenig pietätvoll, vor den trauernden Angehörigen um die Leichname von kürzlich Verstorbenen rangeln? Im boomenden Wien der Gründerzeit war man damit bestens vertraut. Seit 1867 tobten hier Machtkämpfe rund um das lukrative Beerdigungsbusiness, ausgelöst durch den innovativen Trauerwarenhändler Franz Josef Grüll, dessen Entreprise des pompes funèbres die Bewilligung zur Ausübung des Bestattungsgewerbes erhalten hatte. Grüll, offenbar ein schlau kalkulierender PR-Profi, der mit der (vorerst noch kostenlosen) Organisation von Begräbnissen schon Monate vor Erhalt der behördlichen Konzession begonnen hatte, stand allerdings vor einem Problem: Die Konkurrenz aus dem kirchlichen Bereich wehrte sich erbittert gegen den neuen Rivalen. Beide Seiten agierten wenig zimperlich und so waren die folgenden Monate geprägt von wilden Inseratenkampagnen (1. Jänner 1868: »Gegen verkappte Mesner und Konduktansager!«), empörten Ehrenbeleidigungsklagen und false flag-Aktionen – kurz: Vor den Augen der Wiener entbrannte ein veritabler Kulturkampf. Als Schauplatz hierfür diente unter anderem das Palais des Großindustriellen Eduard von Todesco (Kärntner Straße Nr. 51), wo sich 1867 – und somit während der Errichtung der benachbarten Staatsoper! – Verkaufsräume der Entreprise befanden; das Büro war im Haus Kärntner Straße Nr. 21, erster Stock, angesiedelt.

Inserat Entreprise des pompes funebres, Palais Todesco, 1867
Neben der Baustelle der Hofoper (Staatsoper): Verkaufsräumlichkeiten der Entreprise des pompes funèbres im Palais Todesco
WEITERLESEN.

Albert von Rothschilds Atelierchef: Hermann Clemens Kosel, Böcklinstraße 45 und 47 (ca. 1913-1945)

Palais Albert von Rothschild-Gartenfassade
Blick in den Garten: Das 1884 fertiggestellte Palais Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße 20-22. Hier befand sich auch das Atelier des begeisterten Hobbyfotografen Albert von Rothschild.

Selbstverständlich kennt man ihn als sehr erfolgreichen Porträtfotografen, als einen Mann, der Angehörige des habsburgischen Kaiserhauses ebenso ablichtete wie Mitglieder des jüdischen Wiener (und Pariser) Großbürgertums, Marie Cecilie von Fould-Springer etwa (siehe Foto). Manche wissen auch Bescheid über seine schriftstellerische Tätigkeit, über Künstlerromane, die das Multitalent unter anderem zu Dürer, Waldmüller oder Élisabeth Vigée Le Brun verfasste. Und all jene, die sich mit Plakatkunst beschäftigen, sind natürlich bestens informiert über das für die österreichische Werbegrafik der Zwischenkriegszeit so bedeutende Werk seines gleichnamigen Sohnes.

AlbertvonRothschild
Einflussreicher Bankier und Mäzen: Albert von Rothschild.

Wo aber startete Hermann Clemens Kosel seine durchaus beeindruckende Karriere? Nein, es war kein dunkler Hinterhof-Schuppen, der dem jungen, 1867 im böhmischen Dunkelthal geborenen Mann als Sprungbrett nach oben diente, sondern ein prachtvolles Neorenaissance-Palais, das sich entlang der noblen Wiener Prinz-Eugen-Straße (damals: Heugasse) erstreckte. In diesem Palais residierte Albert von Rothschild, Bankier (S. M. von Rothschild, Creditanstalt), Großindustrieller und Mäzen, eine vielseitig interessierte Persönlichkeit mit ausgeprägtem Faible für Astronomie, Schach – und die Fotografie.

Rothschild, der in seinem Palais ein eigenes Atelier einrichtete, engagierte … WEITERLESEN.

1872: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö. Owen Maurits Roberts van Son, Schüttelstraße ca. Nr. 15 sowie Rustenschacherallee Nr. 6 und Nr. 8

Wilhelm Richter: Kaiserliche  Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872
Wilhelm Richter: Kaiserliche Jagdgesellschaft in Gödöllö, 1872. Um das Bild in hoher Auflösung zu betrachten, anklicken oder diesem Link folgen.

Schon seit längerem sollte hier ein Text zu Owen Maurits Roberts van Son erscheinen, der ab ca. 1873 (Quelle: Lehmanns Adressbuch) bis zu seinem Tod im Jahr 1914 an mehreren Adressen im Pratercottage ansässig war und auch die nach wie vor existierende Villa in der Rustenschacherallee Nr. 6 erbaute. Das Problem: Die enorme Menge an Material, da der niederländische Generalkonsul, ein Reitsportfan, nicht nur als Teil der Szene rund um die mit ihm befreundeten Brüder Baltazzi bzw. Baron Gustav Springer Bedeutung erlangte (bereits 1870 taucht sein Name anlässlich der vom Jockey-Club neu eröffneten Tribüne in der Freudenau auf), sondern zudem mit einem Unternehmen verbunden war, dessen Nachfahre bis heute eine zentrale Rolle in der Wiener Infrastruktur einnimmt: Die Entreprise des pompes funèbres, nun als Bestattung Wien bekannt. Weitere Recherchen zur Familie Roberts van Son sowie zur Geschichte der Villa Rustenschacherallee Nr. 6 führen überdies nach Hollywood und zur »Operation Walküre«, dem gescheiterten Attentat auf Hitler.

Es erscheint daher ratsam, den umtriebigen Niederländer zunächst in die Gesellschaft seiner Zeit einzubetten und, da sich im Pratercottage bekanntlich ja auch … WEITERLESEN.

Biedermann-Turony, Bleichröder und die Villa Rustenschacherallee 28, Teil I

Gerson Bleichröder, 1893
Er zählte zu den weltweit einflussreichsten Finanzmagnaten: Gerson von Bleichröder (1822-1893), Berliner Bankier und enger Vertrauter Otto von Bismarcks, auf seinem Totenbett.

Dieses Zusammentreffen wäre möglich gewesen. Und vielleicht ist es ja auch tatsächlich passiert. Vielleicht sind sie sich, in einem ganz bestimmten Zeitfenster rund um 1913/1914, an der Ecke Wittelsbachstraße und Rustenschacherallee begegnet, wohnten sie allesamt doch nur wenige hundert Meter voneinander entfernt im Pratercottage: Der kleine Elias Canetti, die politisch engagierten Kinder des Philosophen Rudolf Eisler – und Else von Biedermann-Turony, geborene Bleichröder, die Tochter von Bismarcks engem Vertrauten, der geliebte Augenstern dieses Berliner Bankiers, der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der internationalen Finanzwirtschaft zählte und als einer der reichsten Männer Deutschlands galt.

Canetti besuchte in oben angesprochenem Zeitfenster zudem die Schule in der Wittelsbachstraße – sie grenzte an die Biedermann-Bleichröder’sche Villa in der Rustenschacherallee 28 (damals: Prinzenallee). Von Hanns Eisler weiß man, dass er als Teenager regelmäßig Fußball spielte – auf der Jesuitenwiese, die sich vis-à-vis von eben jener Villa befand. Das hier auf Grund seiner jeweiligen Bewohner (der Großindustrielle Hans Emil Gutmann und seine Gattin Rositta, der US-Diplomat Leland B. Morris, der kommunistische Intellektuelle Ernst Fischer und seine von Hanns Eisler geschiedene Frau Lou) schon mehrfach … WEITERLESEN.

4. Mai 1910: Trauung im Stadttempel. Sigmund Epler, Böcklinstraße 59

Hochzeit Alexander Marmorek

Ein Jahr zuvor hatte sich der Bruder des Bräutigams erschossen, am Wiener Zentralfriedhof, am Grab des Vaters – es war ein Ereignis, das die Trauung im Wiener Stadttempel wohl überschattet haben musste. Nun, am 4. Mai 1910, also schritten der von Louis Pasteur nach Paris berufene Bakteriologe Alexander Marmorek, Theodor Herzls engagierter Mitstreiter, und die französische Ärztin Rachel Steinberg zur Vermählung. Als Trauzeugen[1] agierten Sigmund Epler und Johann Kremenezky, ersterer bekannt als mächtiger Vorstand der Kohlen-Sektion in der Länderbank, zweiterer ein höchst innovativer Industrieller, dessen Glühbirnen auch das nunmehr elektrifizierte Wien erleuchteten. Beide waren eng mit dem Zionismus verbunden: Epler, dessen bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn beschäftigter Vater Hermann Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Brünn (Brno) gewesen war, hatte sich zu Beginn der 1890er Jahre der Chowewe-Zionbewegung (auch: Chibbat Zion) angeschlossen, vor seiner Übersiedlung nach Wien schon die böhmischen Zionisten organisiert[2] und zählte zu Theodor Herzls frühesten Gefolgsleuten. Kremenezky wiederum hatte zudem 1901 den Jüdischen Nationalfonds (Keren Kajemeth) ins Leben gerufen, der Geld zum Ankauf von Siedlungsland in Palästina zur Verfügung stellte.

Viel wird an diesem Tag also von Herzl die Rede gewesen sein. Und natürlich auch von Oskar, Alexander Marmoreks oben erwähntem Bruder – … WEITERLESEN.

Der stille Amerikaner. Leland B. Morris, Rustenschacherallee 28
(1938-40)

Berlin, 11. Dezember 1941: Leland B. Morris wird ins Außenministerium zitiert, wo ihn Joachim von Ribbentrop über die deutsche Kriegserklärung an die USA informiert.

Der stille Amerikaner kam aus Ägypten. Ja, er war umtriebig gewesen in den letzten Jahren. Die auftragsgemäß absolvierte Reise nach Saudi-Arabien etwa. Die ungeahnten Möglichkeiten dort – Öl! Dhahran, das Bohrloch Nr. 1. Sollten also die USA im Königreich eine diplomatische Vertretung etablieren? Der stille Amerikaner war 1936 vor Ort gewesen. Er winkte ab: Nein, noch nicht.
Im Dezember 1938 füllt er, der stille Amerikaner aus Texas, sorgsam einen Meldezettel aus. Er hatte die Stadt, das Land, den Kontinent gewechselt. Nun lebt er in Wien, schon seit einiger Zeit. Auch seine Frau war mitgereist in die Donaumetropole: Marie Aimee, Mädchenname Zaba, geboren in Smyrna. Die beiden logieren in einer Villa am Rande des Praters. Vor ihren Fenstern liegt die Jesuitenwiese, still und schneebedeckt. Adolf Eichmann wohnt im selben Häuserblock. Der SS-Referent leitet die »Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien«, der stille Amerikaner ist als Generalkonsul, und somit höchstrangiger hiesiger US-Diplomat, für die Visa-Vergabe zuständig. Eine seltsame Nachbarschaft, fürwahr. Wer beobachtet hier wen?

Der stille Amerikaner also bemüht sich um Contenance. Seine Aufgabe ist schwierig. Wie … WEITERLESEN.

Mit dem Thronfolger in Écska: Felix von Harnoncourt, Laufbergergasse 12

Felix von Harnoncourt, Franz Ferdinand in Ecska (Ecka), 1901
Happy Hour in Écska (Ečka): Erzherzog Franz Ferdinand und Graf Felix Harnoncourt (2. und 3. v. l.).

Am 2. Jänner 1900 wurde in der Pariser Tageszeitung Le Figaro unverhohlen spekuliert, der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand habe seine große Liebe Sophie Chotek von Chotkowa in einer geheimen Zeremonie geheiratet. Die Franzosen nannten, basierend auf Gerüchten in der Wiener Gesellschaft, sogar den Ort der angeblichen Trauung: die kleine Gemeinde Écska (Ečka) in der Vojvodina – damals in Österreich-Ungarn gelegen, heute ein Teil von Serbien, ein idyllischer Weiler, der von einem zwischen 1816-1820 errichteten Schloss dominiert wird. Dieses Anwesen, das laut Erzählungen u. a. mit einem Konzert des damals neunjährigen Franz Liszt eingeweiht wurde, befand sich im Besitz von Graf Felix Harnoncourt (1857-1934), Franz Ferdinands Jagdfreund – er hatte es nach dem frühen Tod seiner Gattin Marianne Lazar de Écska (1867-1893) geerbt.

Nun, tatsächlich vermählten sich Sophie und Franz Ferdinand ein halbes Jahr später, am 1. Juli 1900, im böhmischen Reichstadt (Zákupy).

28. Juni 1914: Sarajevo.

Die von Harnoncourt erbaute Villa im Pratercottage wurde mittlerweile abgerissen. Das Kastel Ečka hingegen steht unter Denkmalschutz, präsentiert sich schmuck renoviert und beherbergt ein Hotel. Dessen Website ist auf deutsch abrufbar. Die einstigen Aufenthalte von Franz Ferdinand … WEITERLESEN.