Was vom Tage übrig blieb. Villa Putz, Sportklubstraße 8 (1933)

Im Gefolge von »Zeitgeist« und »Angst« bürgert sich im angelsächsischen Raum nun offenbar ein weiteres deutsches Lehnwort ein: »Ruinenlust«. Man findet es gelegentlich in Kunstzeitschriften und dort vorwiegend in Texten, die sich mit der derzeit geradezu spengleresken Faszination an Niedergang und Verfall auseinandersetzen. Paradebeispiel dafür ist die intensive Beschäftigung mit Detroit, dessen verlassene, schaurig-schöne Gebäude die Phantasie offenbar auf exzeptionelle Weise zu entzünden vermögen (siehe dazu etwa Julien Temples hervorragende Doku für die BBC). Auch auf der Plattform Pinterest entdeckt man unzählige Boards, die mit »Ruins« (Ruinen), »Decay« (Verfall) oder »Abandoned« (Verlassen) betitelt sind und eifrig mit Fotos befüllt werden.

Das vor sich hindämmernde Haus in der Sportklubstraße 8 reiht sich hier wunderbar ein. Vor einigen Jahren konnte man noch einen Zettel sehen, der an einem Baum nahe dem Gartentor (und neben dem Eingang zum nun der Angewandten als Expositur dienenden Wotruba-Atelier) befestigt war. Das Anwesen sei unverkäuflich, jegliche Fragen dazu wären zwecklos, war darauf sinngemäß zu lesen. Damals befand sich das verlassene Gebäude im Besitz eines Mannes, dessen Name auf eine bekannte österreichische Industriellenfamilie aus dem Textilbereich verweist. Diesen Zettel gibt es wahrscheinlich noch immer, doch der Garten ist mittlerweile zu verwachsen, um seiner ansichtig zu werden. … WEITERLESEN.

Jakob Degen fliegt im Prater, 1808

Degens Flugmaschine

Dem Menschen, dessen Geist schon so vieles erfand, musste wohl schon der Gedanke kommen, den Flug der Vögel durch künstliche Flügel nachzuahmen, um sich so mit Leichtigkeit in die unermesslichen Räume der Luft zu erheben. Vor kurzem hat nun ein geschickter Uhrmacher in Wien, Herr Jakob Degen, glückliche Versuche gemacht, mit künstlichen Flügeln sich in die Luft zu schwingen. Diesen Künstler und seine Flugmaschine sehen wir hier (Fig. 1.) abgebildet. – Hr. Degen verfertigte sich nämlich zwei herzförmig gefaltete Flügel (wovon Fig. 2. die Ansicht von oben gibt) von feinem mit Firniss getränktem Papiere, welche 116 Quadratfuß an Oberfläche enthalten, und eine Länge von 10 Fuß haben. Der Elasticität wegen durchzog der Künstler das Ganze mit Streifen von Schilfrohr, welche durch seidne Schnüre verbunden sind. Der Körper des Fliegenden steht, wie wir hier sehen, zwischen den Flügeln aufrecht, und ist durch mehrere Bambusröhre (aa) mit der Maschine verbunden. Die Hände (bb) bewegen die gekrümmte Stange, wodurch der Flügelschlag in wagerechter Richtung auf und abwärts bewirkt wird. Den ersten Versuch machte Hr. Degen im Frühjahr 1808 in dem Reithause zu Wien, wo er vermittelst eines Gegengewichtes, das durch eine Schnur (d) befestigt

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Interieur Villa Hériot, Rustenschacherallee 30 (1931)

Hier regiert das Bauhaus: Der minimalistische Wintergarten der Villa Hériot wurde mit Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer bestückt.
Das »Große Wohnzimmer«. Links im Bild ist eine altchinesische Ruheliege (Pappelholz, vergoldet) zu sehen. An der mit einer Basttapete bespannten Wand hinter der Couch schuf Auguste-Olympe Hériot, ein passionierter und vielgereister Sammler, Platz für zwei Plastiken. Die Glastür rechts führt zum Wintergarten.
Das Speisezimmer. In der Tischplatte spiegelt sich die Wandmalerei von Hilde Jesser, einer bedeutenden Vertreterin der Wiener Werkstätte. Der Samtvorhang war aprikosenfarbig, der Bodenbelag amarantrot.
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Die Bibliothek. Hier ist ebenfalls Wandmalerei vertreten. Im Hintergrund grüßen auffällig drapierte Luftballons.
Freundlicher Empfang: Die Kleiderablage wurde mit Zebranoholz vertäfelt.
Blick ins Herrenzimmer. Prominent im Mittelpunkt des Raums: Der Barschrank aus Rio-Palisander. Die Couchgarnitur war mit tabakgelbem Kalbsleder überzogen.
Das »Badezimmer des Herrn«. Architekt Fritz Reichl verkleidete die Wände mit gelbem Gussglas und wählte Gummi als Bodenbelag.

»Ich klage deshalb Herrn Karl Kraus an.« Leopold Spitzer, Schüttelstraße 51 (1901, 1902)

Ein Mann sieht rot: 1901 startete Karl Kraus via Fackel einen erbitterten Feldzug gegen »humoristische« Wiener Zeitschriften.

Im Mai 1901 machte Leopold Spitzer eine betrübliche Entdeckung: Er war ins Fadenkreuz geraten. »Kolorierte Pestbeulen der Journalistik«, »ekelhaft«, »humorfrei«, »Fachblätter für die Interessen der Prostitution« – in der neuen Ausgabe der Fackel wurde die Armada der Wiener Witzblätter mit höchst despektierlichen Attributen belegt und Spitzer, Herausgeber der solcherart diffamierten Zeitschrift Die Wespen, reagierte empört. Doch was tun gegen diese, aus seiner Perspektive, bösartige Brandrede? Spitzer wählte eine auch heute in Medienkreisen gern genutzte Taktik: Er ging vor Gericht.

Very british: Aktie der Wiener Riesen Rad Limited, 1898

Zwischen Jänner und April 1898 erschien im amerikanischen Wochenmagazin Collier’s mit The Turn of the Screw eine schaurige Novelle rund um zwei Kinder und deren Nanny, die ihrem finanziell etwas klammen Verfasser dringend benötigtes Geld in die Kassen spülen würde. Doch während Henry James, der feinsinnige New Yorker, den es nach London verschlagen hatte, in seinem intelligent konstruierten Text die »Schraube« (engl. screw) als Metapher einsetzte, war sie für Walter Basset, der 1897 sein Wiener Riesenrad eröffnet hatte, sehr real und wesentliche wirtschaftliche Grundlage. Nun, am 21. März 1898, brachte der innovative Brite, der im mächtigen und etwas düsteren Watermouth Castle (Devon, Großbritannien) aufgewachsen war – das seit der Erbauung im Familienbesitz befindliche Schloss hätte Henry James durchaus als Vorlage dienen können! – Aktien der Wiener Riesen Rad Limited unters Volk. Für den Druck der aufwändig gestalteten Wertpapiere war das in London angesiedelte Traditionsunternehmen Waterlow & Sons zuständig, eine im viktorianischen Zeitalter sehr erfolgreich agierende Firma, die 1810 gegründet worden war, viele Aufträge für das boomende britische Transportwesen erledigte und sich nach wie vor im Besitz der Familie Waterlow befand.

Der Prater am 1. Mai 1901

Der 1. Mai im Wiener Prater

Wie alljährlich feierte die organisierte Wiener Arbeiterschaft den Weltfeiertag des 1. Mai in imposanter Weise. Am Vormittag fanden in den größten Sälen der einzelnen Bezirke stark besuchte Versammlungen statt und am Nachmittag strömten die Arbeiter in ungeheuren Scharen in den Prater, dessen Gasthäuser die Zehntausende von Besuchern kaum zu fassen vermochten. Imposant war der stundenlange Aufmarsch der Arbeitermassen vom Ring über die Praterstraße und in den Straßen des Volkspraters wogte die festlich gestimmte Menge, das schöne Maifestzeichen an der Brust, in unaufhörlichem Zuge. Bei Musik und Gesang wurde der Nachmittag im Prater verbracht und nur das ungünstige Wetter, das in den Abendstunden hereinbrach, vermochte es, dem Ausmarsch aus dem Prater das imposante Bild zu nehmen. Das Lied der Arbeit, das aus Tausenden von Kehlen ertönte, bildete den Abschluss der würdigen Maifeier, welche der Großstadt an diesem Tage die Signatur gab. Unsere photographische Aufnahme zeigt den Menschenstrom, der sich um 2 Uhr in der Zufahrtsstraße vor dem Riesenrad in den Prater bewegte.
(Text und Foto aus: Wiener Bilder, 8. Mai 1901)

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