Very british: Aktie der Wiener Riesen Rad Limited, 1898

Zwischen Jänner und April 1898 erschien im amerikanischen Wochenmagazin Collier’s mit The Turn of the Screw eine schaurige Novelle rund um zwei Kinder und deren Nanny, die ihrem finanziell etwas klammen Verfasser dringend benötigtes Geld in die Kassen spülen würde. Doch während Henry James, der feinsinnige New Yorker, den es nach London verschlagen hatte, in seinem intelligent konstruierten Text die »Schraube« (engl. screw) als Metapher einsetzte, war sie für Walter Basset, der 1897 sein Wiener Riesenrad eröffnet hatte, sehr real und wesentliche wirtschaftliche Grundlage. Nun, am 21. März 1898, brachte der innovative Brite, der im mächtigen und etwas düsteren Watermouth Castle (Devon, Großbritannien) aufgewachsen war – das seit der Erbauung im Familienbesitz befindliche Schloss hätte Henry James durchaus als Vorlage dienen können! – Aktien der Wiener Riesen Rad Limited unters Volk. Für den Druck der aufwändig gestalteten Wertpapiere war das in London angesiedelte Traditionsunternehmen Waterlow & Sons zuständig, eine im viktorianischen Zeitalter sehr erfolgreich agierende Firma, die 1810 gegründet worden war, viele Aufträge für das boomende britische Transportwesen erledigte und sich nach wie vor im Besitz der Familie Waterlow befand.

Deren Name ist in den politischen Annalen der Themse-Metropole bekanntlich fest verankert: Sir Sydney Waterlow (1822-1906), der Philanthrop der Familie, agierte 1872-1873 als Londoner Bürgermeister und errichtete 1889 den Waterlow Park, eine im Stadtviertel Highgate angesiedelte Oase der Ruhe (1971 wurde der Park übrigens von Mott the Hoople mit einer melancholischen Ballade verewigt).

Als nun die Wiener Aktie gedruckt wurde, schwang Sydneys Sohn Philip Hickston Waterlow im Familienbetrieb das Zepter. Studiert man den oben abgebildeten Anteilschein (Quelle: Freunde historischer Wertpapiere) genauer, so entdeckt man, links unten in der ersten Reihe, die schwungvolle Signatur von Walter Basset himself. Dem Mann aus Devon sollten die von ihm kreierten »Gigantic Wheels« – neben dem Wiener Riesenrad errichtete Basset auch Räder in London, Blackpool und Paris – allerdings nicht wirklich Glück bringen: der eloquente Geschäftsmann verstarb, erst 43jährig und fast bankrott, 1907 im Watermouth Castle. Angesichts seiner Biographie mutet die weitere Entwicklung des ehemals Basset’schen Schlosses daher fast ein wenig ironisch an: Heute beherbergt es einen erfolgreichen Themenpark, der vor allem Familien ansprechen soll. Waterlow & Sons wiederum, das einst in Sachen Wiener Riesenrad von Basset beauftragte Unternehmen, wurde 1961 von De La Rue übernommen. Der britische Konzern ist an der Produktion von mehr als 150 Währungen beteiligt, etwa an jener des Euro, und damit laut eigenen Angaben der derzeit weltweit größte private Hersteller von Banknoten. Von De La Rue angefertigte Scheine landen daher auch in den Kassen des Wiener Riesenrades. Der Kreis zur Gegenwart, er schließt sich somit.