Im Flug über das barocke Wien: Die faszinierende Vogelschaukarte des Joseph Daniel von Huber, 1769–1778

Auch das war Erdberg: Links oben im Bild ist ein kurzer Abschnitt der Erdbergstraße zu sehen, rechts unten der Paar’sche Barockgarten am Donaukanal auf Höhe der Rotundenbrücke.

Es muss ein enormer, für heutige Verhältnisse kaum zu fassender Arbeitsaufwand gewesen sein. Schließlich war die Donaumetropole in jenen Jahren, als der rührige Obristwachtmeister im Auftrag von Maria Theresia an seiner detaillierten Vogelschaukarte arbeitete, nach London, Paris und Neapel die viertgrößte Stadt Europas. Doch Joseph Daniel von Huber (1730/31 – 1788) meisterte die Aufgabe bravourös und hinterließ mit seiner dreidimensionalen Ansicht der Barockstadt Wien, die sogar die Konskriptionsnummern umfasst, ein faszinierendes Meisterwerk der Kartographie.

Von der Rochuskirche zum Donaukanal: Dieser von mir zusammengestellte und hier verkleinerte Kartenausschnitt, der etwa auch das einstige Palais Mesmer (ja, der Magnetiseur!) in der Rasumofskygasse abbildet und die zu trauriger Berühmtheit gelangte Hinrichtungsstätte am Donaukanal („Richtstadt“) anführt, ist in größerer Version mit Klick auf das Bild oder diesen Link (Achtung: 3 MB, längere Ladezeit!) abrufbar. Um die Werktreue beizubehalten, wurden einzelne Fehler nicht retuschiert.

Die von 1769 bis 1773 angefertigte und 1778 gedruckte Karte umfasst 24 Kupferstich-Blätter und wurde von der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze in sehr hoher Auflösung online gestellt:

http://teca.bncf.firenze.sbn.it/TecaViewer/index.jsp?RisIdr=BNCF0003495768

Die einzelnen Abschnitte (Foglio 1.1 … WEITERLESEN.

Arkadia im Prater: Die Bildhauerateliers, Krieau (ab 1873)

Für die Weltausstellung 1873 erbaut: Der südliche Pavillon des amateurs im Wiener Prater. Heute beherbergt er staatliche Bildhauerateliers.

In Österreich werden Preise (und Orden), so scheint es, gelegentlich ja eher nach dem Zufallsprinzip verliehen. Höchst korrekt allerdings verläuft der alljährliche Wettbewerb um die schönsten Bücher des Landes. Nun wurden die Gewinner für das Jahr 2011 bekannt gegeben.

Und siehe da: Unter den Ausgezeichneten befindet sich auch Arkadien und angenehme Feinde. Die Bildhauerateliers im Prater (Hrsg. Werner Würtinger; Revolver Publishing, Berlin 2011), ein von Gabriele Lenz fein gestalteter Band über jene beiden etwas versteckt am Rande der Krieau angesiedelten Gebäude, die einst als Pavillons des amateurs für die Kunstexpositionen der Wiener Weltausstellung 1873 errichtet wurden und seit 1875 (der nördliche Pavillon) bzw. 1883 (der südliche Pavillon) heimischen Bildhauern als Arbeitsstätte dienen. Diese beiden von Carl von Hasenauer entworfenen Pavillons sind übrigens die einzigen (!) noch existierenden Bauten der ehemals so riesigen Weltausstellung und daher naturgemäß umso bedeutender.

Näheres zu dem preisgekrönten Buch erfährt man unter anderem auf der Homepage des Verlages, die Jurybegründung findet sich hier. Besonders erfreulich: Der an der Wiener Angewandten lehrende Architekturhistoriker Matthias Boeckl stellte jenen Teil des Buches, der seinen detailliert recherchierten Text zur … WEITERLESEN.

Der melancholische Schmerzensmann der Belle Époque. Auguste-Olympe Hériot, Rustenschacherallee 30 (ab 1929)

Auguste-Olympe Hériots Wurzeln und die Quelle seines Reichtums: Das Pariser Großkaufhaus Grands Magasins du Louvre. Hier schlug die Geburtsstunde der Konsumgesellschaft.

Noch während 2011 mehrere britische Städte von abrupten und sehr heftigen Ausschreitungen erschüttert wurden, publizierte Zygmunt Bauman einen viel beachteten Essay. Seine Kernthese: »These are riots of defective and disqualified consumers.« Ob man ihm nun zustimmt oder nicht – der renommierte Philosoph und Soziologe eröffnete damit jedenfalls eine interessante Debatte über die soziokulturellen Auswirkungen der Konsumgesellschaft, die in den kommenden Jahren an Intensität wohl zunehmen wird.

Warum dieser die aktuelle Politik betreffende Verweis hier, in einem Text über Auguste-Olympe Hériot, zu finden ist? Nun, sobald man sich auf dessen Spuren begibt, stösst man unweigerlich auf Émile Zolas Das Paradies der Damen (Au Bonheur des Dames). Der umfangreich, auch anhand vieler Interviews, recherchierte und 1883 erschienene Roman rund um ein Pariser Warenhaus enthält nicht nur wesentliche Elemente der Hériot’schen Familienchronik, sondern entpuppt sich überdies als verblüffend scharfsichtiges Porträt einer Gesellschaft, die, gesteuert durch ausgefeilte Verkaufstechniken, sich einem ungehemmten Shoppingwahn hingibt. Vieles, allzu vieles klingt hier höchst vertraut: »Endlich wurde geöffnet, und der Strom der Kunden setzte ein. Gleich in der ersten Stunde, noch ehe die dahinter … WEITERLESEN.