Der Prater am 1. Mai 1901

Der 1. Mai im Wiener Prater

Wie alljährlich feierte die organisierte Wiener Arbeiterschaft den Weltfeiertag des 1. Mai in imposanter Weise. Am Vormittag fanden in den größten Sälen der einzelnen Bezirke stark besuchte Versammlungen statt und am Nachmittag strömten die Arbeiter in ungeheuren Scharen in den Prater, dessen Gasthäuser die Zehntausende von Besuchern kaum zu fassen vermochten. Imposant war der stundenlange Aufmarsch der Arbeitermassen vom Ring über die Praterstraße und in den Straßen des Volkspraters wogte die festlich gestimmte Menge, das schöne Maifestzeichen an der Brust, in unaufhörlichem Zuge. Bei Musik und Gesang wurde der Nachmittag im Prater verbracht und nur das ungünstige Wetter, das in den Abendstunden hereinbrach, vermochte es, dem Ausmarsch aus dem Prater das imposante Bild zu nehmen. Das Lied der Arbeit, das aus Tausenden von Kehlen ertönte, bildete den Abschluss der würdigen Maifeier, welche der Großstadt an diesem Tage die Signatur gab. Unsere photographische Aufnahme zeigt den Menschenstrom, der sich um 2 Uhr in der Zufahrtsstraße vor dem Riesenrad in den Prater bewegte.
(Text und Foto aus: Wiener Bilder, 8. Mai 1901)

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Österreichisches Filmmuseum stellt historische Aufnahmen online

Mit der Straßenbahn über den Ring zum Prater: Filmstill aus Vienne en Tramway (1906) inklusive Zirkus Busch und Würfeluhr.

Sehr leise – man kann durchaus sagen: fast ein wenig schüchtern! – wurde kürzlich eine Plattform mit historischem Filmmaterial zu Wien online gestellt. Diese noble Zurückhaltung ist natürlich völlig unbegründet, denn: Mit den hier versammelten Aufnahmen kann man Stunden, Tage, Wochen verbringen. StadtFilmWien beruht auf den Ergebnissen eines umfangreichen Forschungsprojekts, das unter der Ägide von Ludwig Boltzmann Institut, Österreichischem Filmmuseum sowie Gustav Deutsch und Hanna Schimek durchgeführt wurde. Bis dato sind 77 Filme (Amateuraufnahmen, Wochenschauen, Werbefilme, Dokus, etc.) zu sehen, wobei, so der Plan, eine Aufstockung der Online-Datenbank auf rund 100 Filme erfolgen soll. Begleitet wird das wertvolle Zelluloid-Material von vertiefenden, Kontext-spezifischen Texten.

Der für Wien so bedeutsame Prater ist selbstverständlich durch mehrere Aufnahmen dokumentiert und im sehr gut gegliederten Menü unter »Landmarks« zu finden. Als faszinierend für all jene, die sich für öffentlichen Raum und Verkehr interessieren, dürfte sich wiederum Vienne en Tramway (1906), eine mehr als dreiminütige Straßenbahnfahrt durch die Donaumetropole, erweisen. Völlig anders geartet hingegen ist Das neue Wien (1926 – 1927), ein Wahlpropagandafilm, der die Errungenschaften des sozialen Wohnbaus thematisiert und erschütternde Einblicke in einstige Wiener Elendsquartiere … WEITERLESEN.

Prater, 1. Mai 1896


Friedrich Kaskeline (1863-?): 1. Mai. Der Einzug der Arbeiter in den Prater (1896)

LITERATUR
Josef Seiter, »Blutigrot und silbrig hell…« Bild, Symbolik und Agitation der frühen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Österreich (Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte, Sonderband 7), Böhlau 1991

Karl Kraus über die Bahn Wien-Pressburg, 1914

Am 5. Februar 1914 wurde die an der Weißgerber- sowie an der Erdberger Lände verlaufende Eisenbahnstrecke Wien-Pressburg (inklusive der Station Sophienbrücke/Rotundenbrücke) feierlich eröffnet. Auch Karl Kraus (1874-1936) zeigte sich an diesem Ereignis höchst interessiert. Nachfolgender Text erschien im März 1914 in der Fackel.

Die elektrische Bahn Wien-Pressburg ist eröffnet worden

das ist praktisch. Mitglieder des Wiener Männergesangvereins trugen dabei einen Chor vor, das ist unpraktisch. An der Eröffnungsfahrt nahmen teil die Inspektoren Edelstein und Kronos, das ist interessant, wiewohl der letztere nicht identisch oder verschwägert ist. In Pressburg angelangt, bemerkte einer, dass dort 1277 Ladislaus IV. mit König Rudolf jenen Bündnisvertrag geschlossen habe, auf Grund dessen die Schlacht bei Dürnkrut gewonnen wurde, und dass dorthin, nach Pressburg, Ferdinand I. nach der Schlacht bei Mohacs seine Residenz verlegte. Das ist lückenhaft, weil in Pressburg auch der Professor Bernhardi aufgeführt werden sollte. Der österreichische Eisenbahnminister hielt drei Reden, eine bei der Abfahrt des Zuges, eine an der Grenze und eine beim Ziel. Das ist viel. „Man hat sich schließlich gesagt“, meinte er, „es kann nicht Sache der Regierung sein, den technischen Fortschritt aufzuhalten, und was das Interesse der Allgemeinheit ist, ist schließlich auch das Interesse des Staates.“ Das ist einsichtig. Ein anderer WEITERLESEN.

Friedl Dicker, Architektin und Designerin: Gästehaus Villa Hériot, Rustenschacherallee 30

Foto: Ulrike Müller, Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Design. Sandmann-Verlag München, 2009

»Wer als junger Mensch in den fünfziger Jahren noch die Ruine des Gästehauses Heriot gesehen hat, glaubte aber nicht einer Vergangenheit, sondern der Zukunft begegnet zu sein.« (Friedrich Achleitner)

Sie lebten mit einem Leoparden(!), einem Papagei und mehreren Hunden. Der Swimming-Pool war mit Unterwasserbeleuchtung ausgestattet, die Eingangshalle marmorgetäfelt, in den Wohnräumlichkeiten sah man Bauhaus-Freischwinger ebenso wie fernöstliche Plastiken oder Fresken von Hilde Jesser-Schmid. Und das Dachgeschoss, es verfügte gar über einen Fechtsaal.
Kein Zweifel, die Besitzer der Villa in der Rustenschacherallee 30 – das Aristokratenpaar Hilda und Auguste Hériot nämlich – erfreuten sich an einem ebenso modernen wie exzentrischen Lifestyle. 1932 baute das renommierte Wiener Atelier Singer-Dicker ein gleichfalls spektakuläres Gästehaus im weitläufigen Garten der Villa. Auch hier war man in Sachen Design auf der Höhe der Zeit, hatten doch Friedl Dicker und Franz Singer am Weimarer Bauhaus studiert. »Das Innere nahm über den im alten Sockelgeschoss befindlichen Käfigen der Haustiere neben einer ›Lounge‹, Bügelzimmer, ›Office‹ und einem Gymnastikraum (›Gymnasium‹) zwei Gäste-Appartements mit jeweils eigenem Diener- und Ankleidezimmer, kleinem Wintergarten mit automatischer Bewässerung und einem Wohn-Schlafraum mit ausgeklügeltem Dreh-, Klapp- und Schiebemobiliar, Massagebank, Klimaanlage, versenkbaren Fenstern und … WEITERLESEN.