Modefotografie de luxe: Edith Glogau, Schüttelstraße 73 (ca. 1909-1938)

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Coolness im Polodress: Edith Glogaus Portrait von Dolfine Auersperg, publiziert 1931 in der Modernen Welt.

Sie ist ein Praterkind. Die renommierte Modefotografin mag zwar ihr Atelier im mondänen Gebäude Singerstraße Nr. 8 führen – ihren Wohnsitz hat Edith Glogau (geb. 1898) seit ihrem etwa 11. Lebensjahr in einem völlig anderen Ambiente: am Donaukanal, gleich bei der Jesuitenwiese, und nahe dem Wurstelprater. Dort ist sie umzingelt vom Delikatessengeschäft Jeschaunig und vom Friseur Freyler, von den Drogisten Tomschik und Hörrey, von der Wäscherei Senzer, dem Obsthändler Ozabal, dem Tapezierer Rosenberg und der Miederwarenhändlerin Lola Lederer. In ihrem Wohnhaus, einem schönen Gründerzeitbau an der Ecke Schüttelstraße 73 und Paffrathgasse, befinden sich neben dem eigenen Refugium (1. Stock, Türnummer 13) und jenem ihrer Schwester Olga – sie ist mit dem Anwalt Michael Munkacsy verheiratet – auch die Räumlichkeiten der Patent-Betteinlagen »Großartig«, um deren Verkauf sich die Firma Kovacs & Wertheimer so rührig bemüht. Und nähert sich Edith Glogau der Rotundenbrücke, dann passiert sie zudem die Cafés Schüttelhof und Sidon.

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Intellektuellen-Portrait und Aktfotografie: 1931 vertieft sich Die Bühne analytisch in Edith Glogaus Werk. Der kurze Artikel kann online auf anno abgerufen werden.

Das Viertel am Prater ist ihre Heimat – hier wohnte sie, deren … WEITERLESEN.

Stille Genugtuung: Simon Wiesenthal, Böcklinstraße 48 (1962–1969)

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Unauffällig und doch historisch bedeutsam: Das 1962 von Simon Wiesenthal und Juda F. erworbene Haus Böcklinstraße 48.

Dieser Kaufvertrag ist anders. Und er berührt auf ganz besondere Weise. In die Geschichte jener Straße, in der Adolf Eichmann 1938/39 gewohnt hatte, wird sich nun Simon Wiesenthal einschreiben. Gemeinsam mit dem Wiener Geschäftsmann Juda F. erwirbt der unermüdliche Kämpfer für Gerechtigkeit und Sühne im August 1962 ein dreistöckiges Gründerzeitgebäude in der Böcklinstraße 48. Es ist eine würdevolle Form von Rückgewinnung, eine Wiederaneignung, die still vor sich geht, in diesen beiden Männern aber vermutlich große Emotionen auslöst: Nur kurz zuvor, im Mai 1962, war Eichmann im Gefängnis von Ramla bei Tel Aviv hingerichtet worden. Wiesenthal und F. – er ist Mehrheitseigentümer – werden dieses Haus, das nur einige hundert Meter von der einstigen Wohnstätte des NS-Verbrechers entfernt ist, mehrere Jahre besitzen und dann im Dezember 1969 wieder verkaufen.

Simon Wiesenthal starb im September 2005 in Wien, sein Grab befindet sich im israelischen Herzlia (benannt nach Theodor Herzl). Um mehr über ihn zu erfahren, empfiehlt es sich, Tom Segevs zwar gelegentlich etwas sprunghafte, aber natürlich dennoch herausragende Biographie über diesen beeindruckenden Österreicher, »eine vielschichtige Persönlichkeit mit außerordentlichen Verdiensten« (Ian Kershaw), zu lesen. Der bemerkenswerte … WEITERLESEN.

Stauffenbergs Gefährten, Teil 1/2: Rudolf von Marogna-Redwitz, Böcklinstraße 27/Rustenschacherallee 12 (1938-1944)

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Von Misshandlungen gezeichnet: Rudolf von Marogna-Redwitz vor dem Volksgerichtshof in Berlin, Oktober 1944. Foto: Deutsches Bundesarchiv.
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Mit Marogna-Redwitz seit den 1920er Jahren bekannt: Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944), der Kopf von Operation Walküre.

In den 1950er Jahren, so wird erzählt, war die von Richard Esriel entworfene Villa zwischen Böcklinstraße und Rustenschacherallee in einem beklagenswerten Zustand. Nun präsentiert sie sich tipp-topp renoviert, mit kleinen Beeten in den Vorgärten, und nichts deutet auf ihre Vergangenheit hin, auf jene Tage, als sie ein Wiener Zentrum für Operation Walküre bildete, diese am 20. Juli 1944 so tragisch gescheiterte Verschwörung innerhalb der deutschen Wehrmacht. Mehr als 200 Personen wurden in der Folge hingerichtet, darunter auch ein Mann, der von Claus Schenk Graf von Stauffenberg persönlich mit der Walküre-Durchführung in Wien betraut war, ein Mann, der in erwähnter Villa wohnte: Rudolf von Marogna-Redwitz, Leiter der deutschen Abwehr in Wien und von großer Bedeutung für den österreichischen Widerstand, wurde nach einem Schauprozess vor Roland Freislers Volksgerichtshof am 12. Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee gehängt.

Schönbergs Lehrmeister: Oskar Adler, Franzensbrückenstraße 22 (1907-1914)

»Warum ist das so furchtbar laut???«
Wir schreiben das Jahr 1967 und befinden uns in Swinging London. Hans Keller, BBC-Star mit unverkennbarem Wiener Akzent und fraglos der einflussreichste Musikkritiker Großbritanniens, starrt ratlos auf seine jugendlichen Gäste. Diese hatten eben einen sehr psychedelischen Auftritt absolviert und saßen nun, bunt gewandet und in Erwartung eines drohenden Tribunals, vor dem erbarmungslosen Schönberg-Experten und Hohepriester der Klassik. Die Verständnislosigkeit zwischen den beiden Konfliktparteien – Hans Keller und Pink Floyd nämlich – beruhte, man kann es via Youtube überprüfen, auf Gegenseitigkeit, eine Annäherung der konträren Positionen war in dieser mittlerweile legendären Sendung definitiv nicht möglich.

Arzt, Astrologe, Musiker, Schönberg-Freund und Bruder eines führenden Austro-Marxisten: Oskar Adler (1875-1955).

Was aber hat dieser Zusammenprall der Welten mit dem Pratercottage zu tun? Nun, wir werden es im Laufe des Textes enthüllen. Vorerst begeben wir uns ins Jahr 1908, in die Franzensbrückenstraße 22, in ein hoch aufragendes Gründerzeithaus. Dort wohnte der Arzt Oskar Adler (geb. 1875 in Wien), Bruder des kantianisch geprägten Austro-Marxisten Max Adler sowie Jugendfreund und musikalischer Guru von Arnold Schönberg. »Durch ihn erfuhr ich zum ersten Mal, dass es so etwas wie eine musikalische Theorie überhaupt gibt«, erklärte Schönberg später. »Er leitete meine ersten Versuche … WEITERLESEN.