Die Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft, 1912/13

Das Areal der Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft um 1908.1

Wir schreiben das Jahr 1912. Das Eckgebäude Kohlmarkt 1/Graben 18 in der Wiener Innenstadt wird von einer riesigen Reiterstatue dominiert. (Manche meinen, hier handle es sich um den polnischen König Jan Sobieski III., eine gewagte Interpretation, die andernorts strikt verneint wird.) Das 1896 errichtete Wohn- und Geschäftshaus beherbergt unter anderem den Parfüm- und Seifenproduzenten Nuphar, den k.u.k. Hoflieferanten mit seiner ins Romantische spielenden Inseratenkampagne. Und es beherbergt Büros der Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft – ein steirisches Unternehmen, das unter dem Namen Andritz AG mehr als ein Jahrhundert später zu den weltweit führenden Maschinen- und Technologielieferanten zählen wird, mit rund 26.000 Mitarbeitern an über 250 Standorten in mehr als 40 Ländern.

In diesem besagten Jahr 1912 amtiert Heinrich Wiedmann (Villa Böcklinstraße 35), mächtiger Prokurist des Konzerns Gebrüder Gutmann, als Präsident des Verwaltungsrats. Carl von Ferstel (ein Bruder von Max, dem Architekten aus der nahen Stammgasse – d. h. auf der anderen Seite der Brücke –, über den hier in diesem Blog schon berichtet wurde) ist in leitender Position mit von der Partie. Die beiden Manager sind der Industriellendynastie Gutmann nicht nur beruflich, sondern auch verwandtschaftlich verbunden; so hatte Ferstel im Jahr 1895 Amelie Hartmann geheiratet2, die Schwägerin von Max von Gutmann, welcher seinerseits wiederum ein Cousin von Bertha, der Gattin von Heinrich Wiedmann, ist.

In: Jahrbuch der Österreichischen Industrie 1913, S. 443 (Compass Verlag, Wien 1912)

Die Vorgeschichte

Grazer Tagblatt, 12. November 1899, S. 27 (online auf ANNO):

Der Verkauf der Andritzer Maschinenfabrik.

Wien, 11. November. Ein Konsortium, dem die Firma Gebrüder Gutmann angehören und dessen technischer Konsulent Baron Ferstl [sic!] ist, erstand von der Alpinen Montangesellschaft die Maschinenfabrik in Andritz. Auch betreffs der Brückenbauanstalt in Graz schweben Verkaufsunterhandlungen.

Wien, 11. November. Der Vorvertrag wegen Verkaufes der Andritzer Maschinenfabrik ist heute zwischen dem Verwaltungsrate der Alpinen Montangesellschaft und dem kommerziellen Direktor der hiesigen Maschinenfabriks-Gesellschaft Vulcan, Dr. Karl Freih. v. Ferstl [sic!], zum Ablusse gelangt. Der Kaufpreis beträgt 500.000 fl. Baron Ferstl vertritt ein Konsortium, dem auch die Kohlenfirma Gebrüder Gutmann angehört. Die Maschinenfabrik Andritz wurde im Jahre 1853 von Körösi gegründet und ging 1883 in den Besitz der Alpinen Montangesellschaft über, die die Betriebsanlagen bedeutend vergrößerte. Die Spezialität der Andritzer Maschinenfabrik bildet die Herstellung von Betriebsanlagen für Brauereien, Spiritusbrennereien u. s. w.

Gambrinus, 15. November 1899, S. 243 (online auf ANNO):

Alpine Montangesellschaft in Wien. Schon seit längerer Zeit bestehen Verhandlungen betreffs Abverkauf verschiedener Besitzungen, welche die Alpine Montangesellschaft aus Rücksicht ihrer Zentralisierung anstrebt. Nun hat die Alpine Montangesellschaft ihre Maschinenfabrik in Andritz an ein Konsortium verkauft, welchem die Herren Paul Schiff, Bergrat Max Ritter v. Gutmann, Carl Freiherr v. Ferstel und Eduard Freiherr v. Sochor angehören. Der Kaufpreis beträgt 500.000 fl. Das Konsortium wird die Fabrik in eine Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von 800.000 fl. umwandeln, wovon 500.000 fl. zur Begleichung des Kaufpreises und 300.000 fl. für das Betriebskapital verwendet werden sollen. Baron Sochor soll technischer Direktor, Freiherr v. Ferstel kommerzieller Leiter des Unternehmens werden. Im Jahre 1896 wurden in der Andritzer Maschinenfabrik nebst verschiedenen Gusswaren 21.358 Meterzentner Werkstättenarbeiten, in der Brückenbauanstalt und Kesselschmiede in Graz 47.080 Meterzentner an Brücken und Bestandteilen, sowie Kesseln produziert.

Neues Wiener Journal, 16. März 1900, S. 8 (online auf ANNO):

(Maschinenfabrik Andritz.) Der Ministerpräsident hat im Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien den Herren Dr. Karl Freiherrn v. Ferstel, Fabriksdirektor Paul Schiff und Friedrich Freiherrn v. Sochor, Ingenieur, sämtlich in Wien, die Bewilligung zur Errichtung einer Aktiengesellschaft unter der Firma: Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft mit dem Sitze in Wien erteilt und deren Statuten genehmigt.

1 Credit: Kulturpool/Postkartensammlung GrazMuseum online, Inv. Nr. ASK05_06114. Creative Commons BY-NC-SA 4.0; das Bild wurde für diesen Blog nachbearbeitet.
2 »In der Votivkirche fand heute Vormittags die Trauung des Dr. Karl Freiherrn v. Ferstel mit Fräulein Amalia Hartmann, Tochter des Künstlerpaares Ernst und Helene Hartmann, statt.« (Neue Freie Presse, 27. Juni 1895, Abendausgabe, S. 1; online auf ANNO).