Der Prater, die Pferde und die Familie Springer, Teil 5: In der Freudenau

Freudenau, 1916: Gustav von Springer, Viktor Mautner von Markhof, Baron Czekelius von Rosenfeld, Nikolaus von Szemere, Anton Dreher, Andor von Pechy, Baron Mikulitsch.

Um die ganze Pracht dieses Fotos aus dem Jahr 1916 zu ermessen, sollte man es anklicken und in höherer Auflösung betrachten. Wir sehen hier teils schillernde Persönlichkeiten (Nikolaus von Szemere!) in ungewohnter Mission – ihr Augenmerk gilt ausschließlich den rasenden Rössern. Und wir sehen mit Gustav von Springer (links im Bild gemütlich auf einer Bank positioniert), Viktor Mautner von Markhof und Anton Dreher jun. jene Industriellen, deren riesige Rennställe – sie zählten vor dem 1. Weltkrieg zu den größten der Donaumonarchie – in die glanzvolle Geschichte der Freudenau eingingen. Nicht im Bild sind leider Isidor Schlesinger und seine Brüder Berthold und Max, die auch in Sachen Rennsport sehr engagierten Pferdehändler und Besitzer des Reitinstituts Neuer Wiener Tattersall (Schüttelstraße 19a), und dennoch dürfen sie nicht unerwähnt bleiben. Sie hatten »Gusti« von Springer, als dieser 1915 den Bestand seines Gestütes in Felsöjatto erheblich reduzierte, wertvolle Pferde abgekauft – damals, als der Philosoph Rudolf Eisler noch im Schlesinger’schen Tattersall wohnte, gemeinsam mit seinen Söhnen Hanns (dem späteren Komponisten) und Gerhart (er wird bis zu seinem Tod das staatliche DDR-Fernsehen befehligen) sowie mit seiner Tochter Elfriede (Ruth), die Mitte der 1920er-Jahre an der Spitze der deutschen Kommunisten stand.

Die Namen Mautner Markhof und Dreher wiederum finden wir in den Annalen des Blindeninstituts in der Wittelsbachstraße. Es war Editha, die Mutter des still neben Springer vor sich hinsinnierenden Mautner Markhof, die Dreher – hier, in der Freudenau, elegant mit Zylinder und hellem Kurzmantel – überzeugte, der Schule sein Grundstück im Pratercottage als Bauplatz zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich war es nur um eine Reduktion des Kaufpreises gegangen, in realitas, dank einer Stiftung, bekam das Blindeninstititut im Jahr 1896 das Dreher’sche Grundstück geschenkt. Nachzulesen sind die Einzelheiten in einer Festschrift (ab Seite 6), die online als pdf abrufbar ist.

Dieses sehr schöne Detail rund um die Errichtung des Blindeninstituts lässt sich nun auch zur Geschichte der internationalen Brauindustrie hinzu addieren, waren die mächtigen Unternehmen Mautner Markhof (einst die drittgrößte Brauerei Europas) und Dreher (Anton sen. erfand das Lagerbier und pushte das Schwechater Familienunternehmen zu einer der weltweit größten Brauereien) doch wesentliche Proponenten desselben. Als die Aufnahme in der Freudenau entstand, hatte man allerdings schon fusioniert: 1913 war aus den Firmen Dreher, Mautner Markhof und Meichl die Vereinigte Brauereien Schwechat, St. Marx und Simmering AG entstanden.

Tempi passati. Heute ist die Brauerei Schwechat Teil des niederländischen Heineken-Konzerns. Die Hefe-Unternehmungen der Familien Springer und Mautner Markhof gingen, wie schon zuletzt erwähnt, im französischen Lesaffre-Konzern auf. Einzig in der Freudenau – ja, dort findet man in den Reitställen nach wie vor noch Pferde. Wie erfreulich.

Teil 4 – Der Prater, die Pferde und die Familie Springer: Die Bergwerke in Jaworzno

Teil 3 – Der Prater, die Pferde und die Familie Springer: Die Genesis eines Konzerns

Teil 2 – Der Prater, die Pferde und die Familie von Springer: Gustav von Springer, die Baltazzis und der Jockey-Club

Teil 1 – Der Prater, die Pferde und die Familie von Springer (Einleitung)