20. Mai 1867: Generalversammlung der Wiener Dampfmühlen-Aktiengesellschaft, Schüttelstraße 19

Dampfmühle am Schüttel
Bezauberte 1867 ihre Aktionäre: Die Dampfmühle am Schüttel.

»Bei freiem Entrée für die Berichterstatter fand heute die 26. ordentliche Generalversammlung der Dampfmühlen-Aktiengesellschaft im Mühlengebäude am Schüttel statt. Mit Bangen betraten wir die geheiligten Räume, die wir als Ausgestoßene seit Jahren nur aus scheuer Entfernung zu betrachten gewagt, und mit Spannung harrten wir der Dinge, die da kommen sollten. Zunächst wurden den anwesenden 26 Aktionären (mit Einschluss der Verwaltungsräte) vom Vorsitzenden Dr. Höchsmann mitgeteilt, dass die Statthalterei den im vorigen Jahre beratenen Statuten nach einigen unwesentlichen Änderungen die Genehmigung erteilt habe. Hierauf folgte die Verlesung des Geschäftsberichtes, welcher die eingetretene Entwertung des Papiergeldes und die Erhöhung der Getreidepreise, erstere mit, letztere jedoch ohne Bedauern, erwähnt. Ferner wird zur Kenntnis gebracht, dass ein neues Gebäude und neue Maschinen zur Trockenvermahlung hergestellt wurden. […]

Bevor jedoch die Abstimmung vor sich geht, bringt Baron Sommaruga (Bruder des Verwaltungsrats) mehrere Übelstände zur Sprache. Namentlich rügt er die Höhe des Debitorenkontos, welches 302,265 fl. 75 kr. beträgt usw. Die anwesenden Aktionäre sind jedoch von dem ihnen bevorstehenden, wie es scheint seltenen Genuss einer Superdividende so bezaubert, dass sie dem Vertreter ihrer Interessen nur unwillig Gehör schenken. Am ungeduldigsten benehmen sich bei dieser Gelegenheit einige Aktionäre von merkwürdig jugendlichem Ansehen.

Da die Mitglieder des Direktoriums aus Anlass der neuen Statuten noch vor Ablauf ihrer Funktionsperiode ihre Mandate niederlegen, so muss auch zur Neuwahl des Direktoriums geschritten werden. In diesem Wahlakte wurden sämtliche Funktionäre wiedergewählt, und zwar: Zu Direktoren: Dr. Franz Schmitt, Dr. R. L. Höchsmann, Eduard Wiener (Bankier, Präsident der Creditanstalt, Bauherr des Palais Wiener von Welten am Schwarzenbergplatz, Anm.), Ludwig Ladenburg (Großhändler, Bankier, Direktor der Österr. Nationalbank, Anm.), Fr. Freiherr von Sommaruga, August Pallehner, Peter Zulehner. Zu Revisoren: F. A Engel, Gustav Figdor (Großhändler, Direktor der Österreichisch-Ungarischen Bank, Freund von Grillparzer, Gemeinderat, Anm.), Heinrich Saruba. Zu Ersatzmännern: Anton Wiesenburg, Leon Mandel (Bankier, Kunstsammler, Anm.), A. S Malanotti.«

In: Neue Freie Presse, 21. Mai 1867 → Anno.