Die Ungarische Textilindustrie Aktiengesellschaft, 1911

Peter Lorre, Casablanca
Lajos Löwensteins Sohn: Peter Lorre, hier an der Seite von Humphrey Bogart in Casablanca.

Wie mögen sie sich wohl abgespielt haben, die gemeinsamen Sitzungen von Lajos (auch: Ludwig) Löwenstein, dem korrekten Oberbuchhalter, und Julius Jolesch, dem energischen Generaldirektor? Wurde ausschließlich über Zahlen gesprochen? Erlaubten sich die beiden Herren gelegentlich einen Scherz? Löwenstein, ab 1917 mit seiner Familie ansässig in der Böcklinstraße 88, Vater des später weltberühmten Schauspielers Peter Lorre (1904–1964), und Jolesch, dessen Gattin es angeblich war, die dank Friedrich Torberg in die Wiener Literaturgeschichte einging[1], hatten rund um 1911 jedenfalls durchaus viel zu besprechen: Sie mussten sich – aufopfernd? – um das Wohlergehen der Ungarischen Textilindustrie Aktiengesellschaft kümmern, einem riesigen Unternehmen, dessen Zentrale in Rózsahegy (heute Ružomberok, Slowakei) angesiedelt war.

Ungarische Textilindustrie-Aktiengesellschaft, 1911

Mehr über diese Firma und ihren Gründer Isidor Mautner zu erzählen, würde hier allerdings den Rahmen sprengen. Daher soll diesbezüglich auf Wolfgang Hafers Biografie Die anderen Mautners. Das Schicksal einer jüdischen Unternehmerfamilie (Hentrich & Hentrich; Berlin, 2014) verwiesen werden.

Vorerst nämlich interessiert die Zusammensetzung der Direktion, wie sie sich 1911 präsentierte[2]. Hier finden wir zwei Herren, die uns schon bald wieder begegnen werden: den ungarischen Großindustriellen Josef von Hatvany-Deutsch nämlich sowie den Wiener Juristen Ludwig Schüller. Und so dient dieses kurze Blogpost auch als Ankündigung für den kommenden Beitrag: Er wird auf die Hohe Warte (Döbling) führen, zu einem Geschäftspartner Ludwig Schüllers, und zu einem katastrophalen Bankencrash, der Schockwellen durch die Wiener Salons jagte.

[1] Zur »Tante Jolesch« und ob sie wohl je existiert haben mag, existieren mehrere Deutungen. Verblüffenderweise treffen wir in diesem Zusammenhang erneut auf Lou Fischer, in 3. Ehe verheiratet mit dem Komponisten Hanns Eisler (aufgewachsen im Haus Schüttelstraße 19a), in 4. Ehe mit dem kommunistischen Intellektuellen Ernst Fischer (gemeinsamer Wohnsitz in der einstigen Villa Rustenschacherallee 28). Lous 2. Gatte nämlich war Franz Jolesch, der Neffe von Generaldirektor Julius Jolesch. Mehr dazu online in einer Rezension von Robert Sedlaczeks Buch Die Tante Jolesch und ihre Zeit. Eine Recherche (Haymon Verlag, 2013)

[2] Quelle: Compass Jahrbuch 1911, 2. Band (auch online abrufbar nach Registrierung auf Zedhia)

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