Mit Nosferatu in Transsilvanien: Vorschau auf Dorothea und Emily Gerard (Böcklinstraße 53 und Neulinggasse 9)

Dorothea Gerard, 1893

Obige Illustration wurde dem britischen Strand Magazine (Nr. 25, Jänner 1893) entnommen. Sie zeigt die viktorianische Schriftstellerin Dorothea Gerard (1855-1915) und war Teil eines kurzen Artikels, in welchem die damals sehr populäre Gerard von ihrer Biografie und der Zusammenarbeit mit ihrer älteren Schwester Emily erzählt. Als Vorschau zu einem Text über die beiden in Schottland geborenen Frauen, die mit k. u. k. Offizieren verheiratet waren – Dorothea mit Julius Longard de Longgarde, Emily mit Miecislaus Laszowski von Kraszkowice – , zuletzt in Wien lebten – Dorothea in der Böcklinstraße, Emily in der Neulinggasse – und auch hier begraben sind – Dorothea am Zentralfriedhof, Emily (Emilie) in Grinzing -, folgen nun Exzerpte zu Emily Gerard und ihrem großen Einfluss auf Bram Stoker. Dessen berühmter Schauerroman Dracula (1897) nämlich nimmt, wie man auch dank seiner Notizen erkennt, in wesentlichen Teilen Bezug auf ihre Abhandlung Transylvanian Superstitions (Transsilvanischer Geisterglaube) – Madame de Laszowska, wie Emily von Stoker genannt wurde, hatte sie 1885 verfasst, basierend auf ihren Recherchen in Siebenbürgen (Transsilvanien), wo ihr Gatte 1883-1885 stationiert war. (1888 veröffentlichte sie eine Zusammenstellung mehrerer ihrer »transsilvanischen« Texte in dem Buch The Land Beyond the Forest, das online auf archive.org abrufbar ist.) Der in den Körper getriebene Pflock, der abgetrennte Kopf, der mit Knoblauch gefüllte Mund – all dies findet man zuerst bei Gerard, danach in Stokers Notizen zu ihrem Text, und schließlich, kunstvoll eingebettet, auch in Dracula.

Ebenfalls der schottischen Autorin zu verdanken ist zudem die Etablierung von »Nosferatu« in der Literatur- und Filmgeschichte: Emily Gerard (1849-1905) war in Begleitung eines Dolmetschers unterwegs und hatte dieses Synonym für »Vampir« in ihren Niederschriften festgehalten. Stoker verwendete es prompt in Dracula, ebenso wie danach Friedrich Wilhelm Murnau und Werner Herzog in ihren einflussreichen Horrorfilmen. Linguisten nehmen allerdings mittlerweile an, dass Emilys Notiz hier auf einem Hör- oder Übersetzungsfehler basiert: Das Wort »Nosferatu« ist, so liest man, in Rumänien nicht bekannt.

Auszüge aus Bram Stokers handschriftlichen Notizen zu Dracula und Emily Gerard:

Bram Stoker: Notizen zu Dracula - Verweis auf Emily Gerard
Bram Stoker: Notizen zu Dracula-Emily Gerard und Nosferatu

Emily Gerard, Transylvanian Superstitions (veröffentlicht 1885 im Londoner Literaturmagazin The Nineteenth Century), Auszug:

»More decidedly evil, however, is the vampire, or nosferatu, in whom every Roumenian [sic!] peasant believes as firmly as he does in heaven or hell. There are two sorts of vampires–living and dead. The living vampire is in general the illegitimate offspring of two illegitimate persons, but even a flawless pedigree will not ensure anyone against the intrusion of a vampire into his family vault, since every person killed by a nosferatu becomes likewise a vampire after death, and will continue to suck the blood of other innocent people till the spirit has been exorcised, either by opening the grave of the person suspected and driving a stake through the corpse, or firing a pistol shot into the coffin. In very obstinate cases it is further recommended to cut off the head and replace it in the coffin with the mouth filled with garlic, or to extract the heart and burn it, strewing the ashes over the grave

Wiener Salonblatt, 14. Jänner 1905:

Emily Gerard, Nachruf 1905

Lehmanns Adressbuch Wien, 1904:

Emily und Miecislaus Laszowski, Neulinggasse, 1904

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