Kampf gegen den Verkehrskollaps, 1873

Franz Alt, Wien, Weltausstellung 1873

Die folgende Karte zeigt sehr schön, dass für die Planer der Wiener Weltausstellung 1873 (1. Mai – 2. November) das Thema Verkehr ein durchaus brennendes war. Kaum verwunderlich: Der 1871 als Generaldirektor eingesetzte Wilhelm von Schwarz-Senborn – sein heftig umstrittener Führungsstil wurde als autoritär gebrandmarkt, doch der Freiherr erwarb sich als bedeutender Förderer der österreichischen Fotografie sowie als engagierter Volksbildner auch besondere Meriten (ehe er nach einem turbulenten Leben 1903 in geistiger Umnachtung verstarb) -, Schwarz-Senborn also hoffte bekanntlich auf rund 20 Millionen Besucher. Während daher etwa ein großer Platz an der Hauptallee sowie ein Teil der Jesuitenwiese Transportmitteln wie Kutschen etc. zugewiesen wurde (»Wagen-Aufstellung«), führte eine neu konzipierte Linie der Pferdebahn über die Rotundenbrücke [Foto, ca. 1873] durch die Rustenschacherallee zum Ausstellungsgelände.

Plan der Wiener Weltausstellung (Ausschnitt); Carl Gerold & Sohn, 1873

Selbstverständlich – wir befinden uns ja in Wien – gab es im Vorfeld nicht unwesentliche Hürden zu überwinden. Am 1. März 1873, exakt zwei Monate vor der geplanten Eröffnung der Exposition, informierte die Wiener Weltausstellungs-Zeitung ihre besorgten Leser schließlich über den neuesten Stand der Dinge:

Die erste Weltausstellungslinie der Tramway Radetzkybrücke – Radetzkystraße – Sophienbrücke wird heute, Samstag, eröffnet werden, vorläufig allerdings nur bis zur Sophienbrücke. Die Vollendung bis zur Pratergürtelstraße, längs welcher die Geleise auch schon gelegt sind, wird Ende März erfolgen. Die Herstellung der Verbindung von der Sophienbrücke zur Schüttelstraße und zum Prater, deren Mangel wir jüngst rügten, wird nunmehr eifrigst betrieben. Der Magistratsreferent, Rat Lekisch, hat sich an die Donau-Regulierungs-Kommission mit der dringenden Bitte gewendet, die Anschüttung schleunigst zu besorgen. Die Donau-Regulierungs-Kommission hat deshalb angeordnet, dass vom 1. März angefangen täglich 80 Kubik-Klaster Baggerungsmaterial zugeführt werden, sodass bis 20. März die Anschüttung vollendet sein kann. Wenn das Wetter sich günstig gestaltet, wird die Dampfwalze hier sofort in Tätigkeit gesetzt werden und die Pflasterung schleunigst erfolgen, mit der gleichzeitig die Verbindung der Tramwaygeleise vor sich gehen wird, sodass längstens Anfangs April der Verkehr über die Sophienbrücke zum Weltausstellungsplatz ermöglicht sein wird. [Link zu Originaltext auf anno.onb.ac.at]

Hoffnungsfrohe Zeilen, die den optimistischen Fortschrittsglauben der Gründerzeit durchaus widerspiegeln. Und tatsächlich wurde wenig später von Seiten der Wiener Tramway-Gesellschaft erleichtert Entwarnung gegeben. Wie geplant waren am 1. Mai nun drei neue Linien der Pferdebahn Richtung Prater im Einsatz: Zusätzlich zur Strecke durch die Rustenschacherallee zum Rondeau (Hauptallee/Stadionallee) war überdies eine Abzweigung von der Lassallestraße (Venediger Au) durch die Ausstellungsstraße zur Lagerhausstraße eröffnet worden sowie eine Verbindung von der Nussdorfer Straße zum Praterstern. Schon bald würde sich jedoch herausstellen, dass ein drohender Verkehrskollaps zu den geringsten Problemen von Schwarz-Senborn und seinen Mitstreitern zählte sollte: Lediglich 7,2 Millionen Besucher hatten am Ende ihren Weg zur mächtigen Rotunde gefunden, das Defizit der durch Börsenkrach und Cholera-Epidemie schwer beeinträchtigten Ausstellung betrug erschreckende 14.866.921 Gulden.

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