Schnitzlers Therese rudert vom Konstantinhügel in die Praterauen

Konstantinhügel

»Auf dem Konstantinhügel trank man Kaffee und aß Kuchen. Die beiden Herren äußerten sich spöttisch über die etwas ›mindere‹ Gesellschaft an den anderen Tischen. Therese fand die Leute gar nicht so übel, und es schien ihr, als vergäßen die beiden Kavaliere allzu sehr, dass sie da mit zwei armen Geschöpfen zusammensaßen, die man wohl auch eher zur minderen Gesellschaft rechnen musste.

Am Ufer des kleinen Teiches unterhalb des Konstantinhügels mietete man ein ›Schinakel‹. Therese fühlte wohl, dass es den beiden jungen Herren wie ein Spaß, ja wie eine Art von Herablassung vorkam, als sie sich unter das Volk mischten und ihren Kahn zwischen anderen, in denen ›mindere Leute‹ saßen, vorwärts und allmählich in den schmalen Flußarm ruderten, der sich zwischen grünen Ufern gegen die Donauauen hin schlängelte. Sylvie rauchte eine Zigarette, auch Therese versuchte es nach langer Zeit wieder, seit den Salzburger Abenden in der Offiziers- und Schauspielergesellschaft hatte sie es nicht getan; es schmeckte ihr so wenig wie damals, und ihr Begleiter, der es merkte, nahm ihr die Zigarette aus den Fingern und rauchte sie selbst weiter. Er legte die Ruder hin und überließ dem Blonden alle Arbeit. Dem würde es sehr gesund sein, bemerkte er, bei seiner Anlage zum Dickwerden.

An den Ufern, unter hohen uralten Bäumen, lagerten Paare und Gruppen. Später wurde es stiller und einsamer. Endlich stiegen sie aus und machten den Kahn an einem der hiefür bestimmten Pflöcke fest. Dann spazierten sie weiter auf immer schmaleren Wegen durch immer dichteres Grün den Auen zu. Sie gingen paarweise, eingehängt; einmal noch hatten sie eine breite Straße zu überqueren, dann schlugen sie einen Pfad ein, der sie unerwartet rasch, fast zauberhaft, in eine umwaldete Entrücktheit brachte.«

Konstantinhügel-Wasserarm-Detail

Text: Auszug aus Therese. Chronik eines Frauenlebens von Arthur Schnitzler (S. Fischer Verlag. Berlin, 1928)

Die Illustrationen wurden dem Monumental-Plan der Haupt- und Residenzstadt Wien von Ladislaus Eugen Petrovits (Carl Gerold’s Sohn, 1887) entnommen. Link (Wienbibliothek).