Oh là là, le Konstantinhügel! 1869-1871

Bois_de_Boulogne-1890-1900
Sieht aus wie der Konstantinhügel, ist es aber nicht: Der Wasserfall im von Jean-Pierre Barillet-Deschamps umgestalteten Pariser Bois de Boulogne auf einer Aufnahme, die ca. 1900 entstand.
Jean-Pierre Barillet-Deschamps
Der Landschaftsarchitekt des Haussmann’schen Paris: Jean-Pierre Barillet-Deschamps.

Im New Yorker Metropolitan Museum of Art findet derzeit eine offenbar eindrucksvolle Ausstellung über den Pariser Fotografen Charles Marville (1813-1879) statt, über einen Mann also, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts jenes Paris ablichtete, das kurz danach der Spitzhacke von George-Eugène Haussmann, dem mächtigen Stadtplaner von Napoleon III., zum Opfer fallen würde. Marville fotografierte aber auch die transformierte (und gentrifizierte) Seine-Metropole mit ihren breiten Boulevards, großzügigen Plätzen und neuen Parkanlagen – und dokumentierte so auch das Werk des Gartenarchitekten Jean-Pierre Barillet-Deschamps, der zu Haussmanns engsten Mitarbeitern zählte (siehe etwa hier). Der kreative Pflanzenexperte war, gemeinsam mit seinem Kollegen Jean-Charles Alphand, nicht nur für das Erscheinungsbild unzähliger Pariser Plätze verantwortlich, sondern unter anderem auch für die Umgestaltung des Bois de Boulogne und des Bois de Vincennes sowie für die Realisierung des neu angelegten Parc des Buttes-Chaumont.

Als der viel beschäftigte Barillet im September 1873 starb, widmete ihm das Journal de l’agriculture daher einen traurigen Nachruf. Er sei einer der bemerkenswertesten Vertreter seiner Zunft in nämlichem Jahrhundert gewesen, so wurde erklärt. Und auch die beruflichen Stationen des Verblichenen führte man selbstverständlich an: »Ehemaliger Chefgärtner der Stadt Paris, Gartenbau-Direktor im Prater (Wien, Österreich) und der ägyptischen Regierung.«

Buttes-Chaumont
Idylle am Pariser Teich: Der Barillet’sche Parc des Buttes-Chaumont ca. 1900.

In Wien hatten sich einflussreiche, mit der Stadtentwicklung beschäftigte Zirkel von Barillet schon seit langem beeindruckt gezeigt. Blättert man durch historische Gazetten, so findet man etwa in der Wiener Zeitung (9. Mai 1861) eine aufschlussreiche Darstellung zum Wirken des Pariser Obergärtners, die auch Erstaunliches zum Thema Nachhaltigkeit zutage fördert:

»Es sollen erstens die alten Bäume, welche die vielen zu Bauplätzen umgewandelten Gärten der ausgedehnten Stadt zierten, nicht abgestockt, sondern erhalten und versetzt werden; zweitens wünschte man nicht nur die vielen neu geschaffenen Plätze, Squares und Boulevards mit alten, schattenreichen Bäumen zu bepflanzen, sondern auch Ersatz für die während der Emeuten des Jahres 1848 in der hirnlosesten Weise auf den alten Boulevards gefällten Bäume zu gewinnen.«

Gesagt, getan. Barillet und seine 350 Gärtnergehilfen waren also frohgemut ans Werk geschritten:

»Am 1. März sind in Paris, wie schon vorher bemerkt, 3.876 alte Bäume mit dem Ballen versetzt worden. Die umfangreiche Verpflanzung an einer und derselben Stelle wird aber in diesem Monat Mai vorgenommen werden, da zwei doppelte Alleen von 50jährigen Kastanienbäumen aus dem Parc de Bercy und in die in das Bois de Boulogne führende Avenue d l’Imperatrice (heute: Avenue Foch, Anm.) von der Länge der Wiener Jägerzeile (heute: Praterstraße, Anm.) übertragen werden sollen.«

Konstantin von Hohenlohe
Mächtiger Obersthofmeister: Fürst Konstantin Hohenlohe, der Initiator des nach ihm benannten Hügels im Prater.

Ein großer Mann also, so befand Konstantin von Hohenlohe, Obersthofmeister unter Kaiser Franz Joseph I., der zweifellos auch im Prater seine Handschrift hinterlassen sollte. Klein-Paris neben der Weltausstellung 1873 sozusagen, dem Wiener Megaprojekt, das von Hohenlohe und dem chaotischen Wilhelm von Schwarz-Senborn forciert wurde– und ja, letzterer kannte den französischen Landschaftsplaner, wie man auch an der oben erwähnten, von ihm aus der Seine-Metropole nach Wien übermittelten Darstellung zu Barillet-Deschamps ersieht, durchaus gut. Mit im Spiel war gerüchteweise zudem der österreichische Botschafter in Paris, Richard Klemens von Metternich, der sich intensiv für Barillet eingesetzt haben soll. Schließlich hatte man ja einmal gar zur vollsten Zufriedenheit zusammengearbeitet: Anlässlich der Pariser Weltausstellung 1867 hatten der Fürst und seine geschäftige Gattin Pauline in der Pariser Residenz ein rauschendes Fest veranstaltet, zu dessem Gelingen nicht nur der im Walzertakt persönlich (und gelegentlich, so bemäkelte Pauline in ihren Memoiren, etwas langsam) aufspielende Johann Strauss II., sondern auch die mit der Ausschmückung des Gartens beauftragten Herren Barillet und Alphand maßgeblich beigetragen hatten.

Angesichts seiner offenbar zahlreichen und sehr mächtigen Fans ist es daher nicht wirklich überraschend, dass Barillets Projekt zur Umgestaltung des Praters jene seiner lokalen Konkurrenten Lothar Abel und Adolf Vetter überflügelte. Im September 1869 also begab sich der international gefragte Franzose persönlich nach Wien und stieg im noblen Hotel de l’Europe ab. Seine Herberge lag an der Praterstraße – spazierte der 45jährige zu Fuß in die von ihm neu zu gestaltende Aulandschaft? Nahm er eine Kutsche? Man weiss es nicht. Sehr wohl weiss man, dass ein halbes Jahr später der Konstantinhügel erste Formen annahm:

»Die Praterbesucher können sich selbst in der Hauptallee von den Fortschritten der gegenüber dem zweiten und dritten Kaffeehause in Angriff genommenen größeren Verschönerungsarbeiten überzeugen. Dort sind die Anfänge des Hügels bereits erkennbar, der ein Restaurationsgebäude und das Wasserreservoir tragen wird; neben ihm wird der Teich ausgegraben, der den vom Hügel niederrauschenden Wasserfall speisen soll. Der Hügel wird etwa 25 Fuß hoch sein, der Teich einen Flächeninhalt von gegen 1.000 Quadratklaftern haben. Die Besetzung der Prater-Gürtelstraße (heute: Rustenschacherallee, Anm.) mit Bäumen wird in der nächsten Zeit begonnen werden.« (Wiener Zeitung, 15. März 1870, mittlere Spalte, unten).

Jardin de l'Esbekieh, Kairo
Sieht aus wie der Konstantinsteg, ist es aber nicht: Die von Barillet entworfenen Ezbekieh-Gärten in Kairo. Foto: Felix Bonfils (1831-1885).

Beaufsichtigt wurden diese doch sehr wesentlichen Arbeiten allerdings nicht vom rührigen Barillet-Deschamps, der nach Kairo weiter gezogen war und dort unter anderem die Esbekieh-Gärten realisierte. Die Wiener Agenda hatte er in die Hände seines Schülers und engen Vertrauten Constant Stanislaus Gondouin (bzw. Gondoin) gelegt, der sich nun in der Donaumetropole ansiedelte und im Augarten wohnte. Noch Jahre später wird er in einer französischen Zeitschrift als „directeur du Prater imperial et royal de Vienne“ angegeben.

Aber wie nun reagierten die Wiener Medien nach der Eröffnung im Mai 1871 auf Barillets neuen, sehr pariserischen Konstantinhügel, der auch aus dem Aushub der Rotunde geformt wurde? Vor allem: empört. Für die führende liberale Tageszeitung der Donaumonarchie, die Neue Freie Presse, war die künstliche Erhebung eine »Ungeheuerlichkeit«. Für das Neue Fremden-Blatt ein »merkwürdiger Erdhaufen«, eine »Erdwarze«, der Konstantinhügel samt Wasserfall und Teich sei, so liest man dort, »das Geschmackloseste, was in Wien seit langer Zeit der Öffentlichkeit geboten wurde«. Und das Satire-Blatt Kikeriki entdeckte im Konstantinhügel gar den »kostspieligsten Sandhaufen von ganz Europa.« Der »große Regulator« Barillet jedenfalls, so Die Presse im Oktober 1871 apodiktisch, verfüge nur über »schwache Talente«. Gut also, dass er die Gartenanlagen der Wiener Weltausstellung nicht ebenfalls gestalten dürfe (Constant Gondouin allerdings wirkte, wiewohl in einer untergeordneten Position, sehr wohl mit).

Zu diesem Zeitpunkt war die ursprünglich geplante und angesichts der nahenden Exposition umso dringlichere Modernisierung des Wurstelpraters noch nicht in die Wege geleitet worden. Sie wurde nun – und offenbar angesichts des desaströsen Echos panikartig – in die Hände von Lothar Abel gelegt, der – wir erinnern uns – mit eben diesem seinem Projekt 1869 abgeblitzt war. Am 9. Februar 1872 berichtete Die Presse zufrieden: »Die Berufung Lothar Abels ist jedenfalls eine sehr glückliche Idee. Nun wird demselben Gelegenheit geboten, wenigstens in einem Teile des Praters seine einmal bereits ausgearbeiteten Regulierungsideen zur Geltung zu bringen. Sein Plan ist vom Generaldirektor (Schwarz-Senborn, s. o., Anm.), vom Obersthofmeister (Hohenlohe, s. o., Anm.) und vom Comité bereits angenommen, so dass die Arbeiten binnen kurzem beginnen werden. Wir sind überzeugt, dass Abel mit den herrlichen, vorhandenen Anlagen sehr schonungsvoll umgehen wird.« Laut Architektenlexikon verlor für so manche Zeitgenossen allerdings der von Abel umgestaltete Wurstelprater an volkstümlichem Reiz. Im Gegensatz zu ihm hatte Barillet-Deschamps weniger rigoros in die Struktur des Vergnügungsparks einzugreifen geplant.

Den Konstantinhügel jedenfalls fand man, wie so oft in der Donaumetropole, schon bald ziemlich toll. Der vielleicht auch politisch begründete, dem Gerangel mehrerer Interessengruppen entsprungene und durchaus kampagnenartig konzertierte Furor war verebbt; man hatte den kleinen Hügel, auf dem das Sacher’sche Sommerrestaurant in prominenter Weise thronte, endgültig ins goldene Wienerherz geschlossen. Dass Sigmund Freud, der Erforscher des Unbewussten und Verdrängten, 1913 an eben diesem Ort für sein neues Buch Totem und Tabu geehrt wurde, passt auch irgendwie zu dieser Geschichte.

Konstantinhügel
Die Wiener Anhöhe des Herrn Barillet: Der Konstantinhügel samt Restaurantgebäude, das 1977 unter mysteriösen Umständen abbrannte. Die Aufnahme entstand um 1900.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. KR Anton K. Bucek

    Es ist wirklich ein provinzielles Trauerspiel wie in Österreich aber vornehmlich in Wien mit architektonischen Kleinoden und auch historischen Gebäuden und Parks zerstörerisch umgegangen wird. Nur (West-) Deutschland übertrifft hier noch die Österreichischen Fin de Siecle – Geschichtsverdränger. Neben der nachhaltigen Zerstörung des Pratersterns wartet der Rest des Römerbades in Wien 2 auf die endgültige Zerstörung, die Sophiensäle haben gebrannt, auch der Konstantinhügel und es brannte das Länderbankgebäude am Hof, der Kaipalast wurde ohne Brand abgerissen. Wer sich für historisierende Architektur in noch teilweise vorhandenen Ensembles stark Macht wird sofort von einer hysterischen Architektenclique zum Provinzbanausen erklärt. Was dann architektonisch bleibt kann man dann bei Spaziergängen durch Wien bewundern. Siehe Stadtparkumgebung, Gartenbau Haus und daneben das Hotel, das BIG Haus anstatt des DDSG Gebäudes, die Tivoli Meierei, der Nachfolgebau des Hotel Nagler/Rennweg, diverse Nachfolgebauten anstelle von -zig Palais in Wien Wieden usw. usf.
    Wenns um Kulturlosigkeit geht dann ist die Politik mehr denn je ebenso präsent wie berüchtigte Projektentwickler. Eine Bewusstseinsbildung der heranwachsenden Generation wird von den Pädagoginnen tunlichst vermieden.

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