Beethoven, der Schüttel und das Palais Rasumofsky (1810)

Joseph Mössmer, Im Prater, 1810 (Sammlung: Österreichische Nationalbibliothek)

Diese 1810 von Joseph Mössmer angefertigte aquarellierte Radierung ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen scheint der hier wiedergegebene Abschnitt des nunmehrigen Schüttels etwa auf Höhe der Paffrathgasse einen Bericht von Bettina Brentano auf bildhafte Weise zu unterstreichen: Brentano, die damals bei ihrer Schwägerin Antonie in der heutigen Erdbergstraße 19, in der palastartigen Birkenstock’schen Villa, wohnte, hatte am 15. Mai 1810 in einem ihrer Briefe an Goethe von einem morgendlichen Frühstück im nahen Prater geschwärmt: »Rund umher unter gewaltigen Eichen lagerten Türken und Griechen, wie herrlich nehmen sich auf grünem Teppich diese anmutigen buntfarbigen Gruppen schöner Männer aus!« Die so enthusiastisch beschriebenen Herren waren vermutlich Besatzungsmitglieder jener unzähligen Handelsschiffe, die damals den Donaukanal mit Südost-Europa verbanden und Wien mit Waren belieferten. Jene Männer nun, die Mössmer halb-liegend im Vordergrund plazierte, könnten angesichts der um 1800 im Osmanischen Reich üblichen Kleidung und Barttracht daher durchaus Türken sein.

Weiters ermöglicht uns das Bild, einen kleinen Blick auf Beethovens Alltag zu erhaschen. Nicht nur hatte er just im Frühjahr 1810 Bettina Brentano kennengelernt (und Ende Mai desselben Jahres über sie schließlich auch oben erwähnte Antonie Brentano, die, vorwiegend von angelsächsischen Historikern, gerne als die geheimnisvolle »unsterbliche Geliebte« gehandelt wird). Es war auch Graf (ab 1815: Fürst) Andrej Rasumofsky, der das klassizistische, 1806 nach einem Entwurf von Louis Montoyer errichtete Palais in Auftrag gegeben hatte. Hier musizierte mit dem Schuppanzigh-Quartett das erste professionelle Streichquartett der Musikgeschichte – und zwar regelmäßig und gegen feste Besoldung. Und hier, im Palais des feinsinnigen russischen Aristokraten, war auch Beethoven sehr häufig zu Gast, nahm doch Rasumofsky unter seinen Mäzenen eine herausragende Stellung ein. Wir dürfen uns also vorstellen, wie der Komponist durch die ausgedehnten Gartenanlagen des Grafen spazierte, wie er den ruhig dahingleitenden Donaukanal betrachtete, wie er seine Blicke über das Wasser schweifen ließ und sich am Anblick der mächtigen Bäume am gegenüberliegenden Ufer erfreute. Ja, vielleicht schlenderte Beethoven auch gelegentlich selbst zu jenen damals sattgrünen Gestaden, die heute das Pratercottage zwischen Rotunden- und Stadionbrücke bilden. Doch während man hiezu nur (wenngleich durchaus legitime) Spekulationen anstellen kann, herrscht Gewissheit in Bezug auf musikalische Fragen. Es war im Palais Rasumofsky, wo seine rund um 1806 entstandenen, Andrej Rasumofsky gewidmeten Streichquartette Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 9 durch das Schuppanzigh-Quartett erstmals aufgeführt wurden. Und während nun an den Ufern des Donaukanals der motorisierte Verkehr tobt, entführen sie in Zusammenspiel mit Mössmers Bild in eine seit langem versunkene Welt.

Ludwig van Beethoven, Streichquartett Nr. 9, op. 59
(Rasumofsky-Quartett Nr. 3)

1. Andante con moto – Allegro vivace

2. Andante con moto quasi allegretto

3. Menuetto grazioso

4. Allegro molto

[Pascal String Quartet, 1953. Creative Commons Licence: Attribution-Noncommercial Share Alike 3.0. Via Archive.org.]