Meldezettel Jenny Adler-Herzmark und Max Adler, Schüttelstraße 15a (heute Schüttelstraße 13; 1909)

(Quelle: WStLA, Historische Meldeunterlagen, K11: Adler Max, 15.1.1873; CC BY-NC-ND 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de)

Jenny Adler-Herzmark und Max Adler im Wien Geschichte Wiki:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Jenny_Adler
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Max_Adler_(Soziologe)

Hugo Stein und die Lagerhäuser. Rustenschacherallee 42/Böcklinstraße 65 und Franzensbrückenstraße/Vivariumstraße (1928)

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Seltenes Bild: Ein Blick in die Franzensbrückenstraße mit dem Praterstern, dem Tegetthoff-Denkmal, der Verbindungsbahn und, links daran angrenzend, der Lagerhausanlage (vor 1907; ÖNB/AKON)

Unablässig und mit höchster Konzentration arbeitet Hermann Broch an seinen Texten. Später werden sie in die Romantrilogie Die Schlafwandler einfließen. Weiß der Schriftsteller von den erheblichen Umwälzungen, die seinen Onkel August Schnabel beschäftigen? Broch nennt ihn »Gustl«, Schnabel ist der Bruder seiner Mutter [1].

Es sind die Lagerhäuser an der Franzensbrückenstraße, die »Gustls« uneingeschränkte Aufmerksamkeit beanspruchen. Dunkel und wuchtig ragen sie zwischen Verbindungsbahn und Hauptallee empor, ein riesiger Gebäudekomplex, den man nur selten auf Ansichtskarten wiederfindet. Wenig verwunderlich, eigentlich: Die Anlage bildet einen irritierenden Störfaktor in der akzentuierten Erzählung vom bunten Leben rund um das weltberühmte Riesenrad. Ja, man kann sich des Gedankens nicht erwehren, dass sie von den Wiener Touristikern immer schon versteckt wurde.

Als Eigentümerin des für die Infrastruktur der Donaumetropole so bedeutenden Unternehmens, das von der k.k. Wiener Handelsbank für den Produkten- und Warenverkehr noch vor seinem kommunalen Pendant gegründet wurde [2] und für dessen Erscheinungsbild auch Wilhelm von Flattich, der Architekt des Südbahnhofes, gesorgt hatte, agiert die Erste österreichische Aktiengesellschaft für öffentliche Lagerhäuser. August Schnabel ist Vizepräsident des Verwaltungsrates. Er beklagt nun – wir schreiben den September 1928, die glühende Sommerhitze ist vorüber, das deutschnational gefärbte Sängerfest auf der Jesuitenwiese ebenso – das viel zu frühe Ableben von Hugo Stein, ebenso wie Schnabel Verwaltungsrat der Lagerhäuser und mit diesem seit längerem geschäftlich verbandelt.

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Emil Mayer: Eistreiben am Donaukanal bei der Franzensbrücke, ca. 1917/18

Emil Mayer: Eistreiben am Donaukanal, ca. 1917/18
Emil Mayer: Eistreiben.

Wie so viele Anrainer war offenbar auch Fotopionier Emil Mayer ein passionierter Beobachter des Donaukanals, konkret: von dessen saisonal bedingtem Antlitzwechsel. In der Photographischen Korrespondenz, Ausgabe Jänner 1918, findet man nämlich unter anderem ein von ihm angefertigtes, mit Eistreiben betiteltes Foto. Tatsächlich handelt es sich um eine Aufnahme des Donaukanals an der Franzensbrücke, um Mayers unmittelbare Nachbarschaft also, wohnte der Fotograf doch bis zu seinem Selbstmord (8. Juni 1938) im Haus Böcklinstraße 12.
Berührend an diesem Foto ist zudem auch Mayers nachvollziehbare Entscheidung, das am Landstraßer Donaukanalufer befindliche Gebäude Dampfschiffstraße 18/Radetzkystraße 24-26 in seine düster-melancholische Komposition einzugliedern. Links im Bild ist es schemenhaft und schneebedeckt zu sehen, jenes faszinierende Eckhaus, das von 1847-1849 entstand, laut Architektenlexikon (Architekturzentrum Wien) eine »sehr frühe und zukunftsweisende formale Lösung« darstellt und somit einen nicht unwesentlichen Rang in der hiesigen Stadtlandschaft einnimmt: »Die einheitliche architektonische Gestaltung mit betonter Ecke intendiert bereits die für Wien typische Blockverbauung, und auch die dominierende Eckansicht wird später zu einem Charakteristikum der Stadt.« Schon einige Jahre nach seiner Errichtung wird es übrigens mit dem Leopoldstädter Tempel und dem 2. Nordbahnhof ein interessantes architektonisches Dreieck bilden. Als Architekt des Gebäudes ist zwar Josef Kastan sen. angegeben, ein vielbeschäftigter Mann, der in der nahen Mayergasse sein Atelier führte und auch für mehrere Häuser in der Franzensbrückenstraße verantwortlich zeichnete. Der Grad von Kastans tatsächlicher Urheberschaft allerdings verbleibt laut Architektenlexikon eher unklar. Bauherr des von Emil Mayer auf Bild gebannten Hauses jedenfalls war Matthias Vlasz (E. Vancsa, 1974), zu dem hier in diesem Blog noch einige ergänzende Angaben gemacht werden können: Er ist vermutlich ident mit Mathias Vlasz, einem umtriebigen Architekten (!), dessen Firmensitz sich u. a. in Mariahilf Nr. 11 befand. In jenen Jahren, als besagtes Haus am Donaukanal errichtet wurde, war Vlasz übrigens auch Besitzer der Liegenschaft Antonsgasse (bzw. Feldgasse) Nr. 264, nun Viktorgasse 2/Theresianumgasse 31, (1040 Wien) und somit von einem Gebäude, das später den Maler Carl Rahl wie auch den Fotografen Ludwig Angerer beherbergen würde - Vlasz hatte die Realität 1847 von Anton Grünn, seines Zeichens ebenfalls Stadtbaumeister, erworben und sie 1850 weiter verkauft (Quelle: Karl Hofbauer, Die Wieden mit den Edelsitzen Conradswerd, Mühlfeld, Schaumburgerhof und dem Freigrunde Hungerbrunn. Wien, 1864). Heute befindet sich an Stelle dieses Gebäudes das Palais der Apostolischen Nuntiatur.

Wien-Brünn-Wien: Die Gebrüder Klein, Franzensbrückenstraße (Mitte 19. Jhdt.)

Gebrüder Klein (Lithographie)
Stolze Vertreter der k.u.k. Bauindustrie: Die Gebrüder Klein (Lithographie von Josef Kriehuber).

Es war ganz einfach für Franz Klein: Er hatte nur einige hundert Meter zum nahen, am Rande des Praters gelegenen Bahnhof der Kaiser Ferdinands-Nordbahn zu überwinden. Dort lässt er sich in einem Waggon der ersten Klasse nieder, tuckert über Marchegg und Lundenburg (Breclav) nach Brünn (Brno), steigt am mährischen Bahnhof aus, spaziert die Ferdinandsgasse (nun: Masarykova) hoch und voilà, da steht es schon: sein Familienpalais, entworfen von Ludwig Förster und Theophil Hansen, die Zierde des Großen Platzes (nun: Námesti Svobody), ein Gebäude zudem, das perfekt die rasante wirtschaftliche Transformation der Donaumonarchie symbolisiert. Eine Transformation, die nämlich auch auf dem Eisenbahnbau beruhte. Und diese Eisenbahnen, deren Schienennetz nun vom Wiener Nordbahnhof zu riesigen Bergwerken und neuen Fabriken in Mähren und Schlesien führt – ihre Entwicklung ist unter anderem mit drei Namen verbunden: mit Salomon von Rothschild, dem Ahnherrn der österreichischen Eisenbahnen (1836 erhielt der Bankier eine diesbezügliche Konzession von Kaiser Ferdinand, kurz danach begann der Bau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn); mit Franz Xaver Riepl, Geologe und Spiritus Rector der Lokomotivbahnen; und mit den Gebrüdern Klein, die für die Realisierung von Tausenden Schienenkilometern verantwortlich zeichneten. Letztere waren schon in die ersten Abschnitte der Kaiser Ferdinands-Nordbahn involviert: »Die Ausführung der Erdarbeiten und gemauerten Brücken von Wien bis Floridsdorf und von da bis Gänserndorf wurde den Gebrüdern Klein für den Betrag von 175.599 Gulden überlassen«, berichtete Hermann Strach in der Geschichte der Eisenbahnen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1898). Und er ergänzte lobend: »Diese Bauunternehmung, der wir für die Folge fast bei jedem grösseren Eisenbahnbaue begegnen, gehörte zu denjenigen, welche dazu beitrugen, den guten Ruf der österreichischen Bautechnik zu begründen.« Eisenbahnexperte Strach zollte also höchste Anerkennung. Aber auch Architekt Förster war begeistert:

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Ludwig (Ritter von) Förster und die Zinner’sche Zuckerraffinerie, Franzensbrückenstraße 17 (1839)

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Nachdem Theophil von Hansen derzeit vielfach gewürdigt wird, muss hier natürlich an den ähnlich produktiven, fatalerweise aber ziemlich vergessenen Schwiegervater des dänischen Architekten erinnert werden. Bevor sich Ludwig Förster (1797-1863), kurz vor seinem Tod zum Ritter ernannt, mit seinen Palais für die Familien Pereira-Arnstein, Rothschild, Drasche (Gustav Mahler-Hof) oder Todesco ins Stadtbild der Wiener City einschrieb, bevor er die Synagoge in der nahen Leopoldstädter Tempelgasse entwarf – und auch jene in Budapest, sie ist Europas größte -, bevor er Otto Wagner zur ersten Anstellung verhalf, gemeinsam mit Hansen das Arsenal errichtete und die Ringstraße mitplante, in jenem Jahr 1839 also, in dem er über weiteren Ausgaben seiner höchst lobenswerten publizistischen Schöpfung, der Allgemeinen Bauzeitung, brütete, wurde in der Franzensbrückenstraße ein auf seinen Plänen basierendes Fabriksgebäude eröffnet.

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Schönbergs Lehrmeister: Oskar Adler, Franzensbrückenstraße 22 (1907-1914)

»Warum ist das so furchtbar laut???«
Wir schreiben das Jahr 1967 und befinden uns in Swinging London. Hans Keller, BBC-Star mit unverkennbarem Wiener Akzent und fraglos der einflussreichste Musikkritiker Großbritanniens, starrt ratlos auf seine jugendlichen Gäste. Diese hatten eben einen sehr psychedelischen Auftritt absolviert und saßen nun, bunt gewandet und in Erwartung eines drohenden Tribunals, vor dem erbarmungslosen Schönberg-Experten und Hohepriester der Klassik. Die Verständnislosigkeit zwischen den beiden Konfliktparteien – Hans Keller und Pink Floyd nämlich – beruhte, man kann es via Youtube überprüfen, auf Gegenseitigkeit, eine Annäherung der konträren Positionen war in dieser mittlerweile legendären Sendung definitiv nicht möglich.

Arzt, Astrologe, Musiker, Schönberg-Freund und Bruder eines führenden Austro-Marxisten: Oskar Adler (1875-1955).

Was aber hat dieser Zusammenprall der Welten mit dem Pratercottage zu tun? Nun, wir werden es im Laufe des Textes enthüllen. Vorerst begeben wir uns ins Jahr 1908, in die Franzensbrückenstraße 22, in ein hoch aufragendes Gründerzeithaus. Dort wohnte der Arzt Oskar Adler (geb. 1875 in Wien), Bruder des kantianisch geprägten Austro-Marxisten Max Adler sowie Jugendfreund und musikalischer Guru von Arnold Schönberg. »Durch ihn erfuhr ich zum ersten Mal, dass es so etwas wie eine musikalische Theorie überhaupt gibt«, erklärte Schönberg später. »Er leitete meine ersten Versuche nach ihren Gesetzen, erweckte mein Interesse in Poesie und Philosophie, und besonders muss ich sagen, dass all mein Wissen von Musik, zu dieser Zeit, vom gemeinsamen Musizieren kam . . . Er war zu dieser Zeit bereits ein ausgezeichneter Violinist.« Quasi um die Ecke und fast in Adlers Sichtweite wiederum – nur der Donaukanal musste überquert werden – residierte in der Oberen Weißgerberstraße 16 der Komponist und Dirigent Alexander von Zemlinsky, ein enger Freund sowohl des Arztes als auch von Schönberg. Zemlinskys Schwester Mathilde war mit letzterem zudem verheiratet, doch geriet die Ehe just in jenem Jahr in schwere Turbulenzen: Mathilde hatte einen Geliebten; dieser, der hoch talentierte Maler Richard Gerstl, beging im November auf spektakuläre Weise Selbstmord, indem er sich ein Messer in den Körper stieß und vor einem Spiegel erhängte. Es war eine katastrophale Situation für alle Beteiligten, wobei Schönbergs Freunde Adler und Zemlinsky dem betrogenen Gatten vermutlich nur bedingt Trost spenden konnten.

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Franzensbrücke, 1850

Franzenskettenbrucke_1850

Die alte Franzenskettenbrücke. Fotografie: Paul Pretsch (1808-1873); Titel: Ansicht von Wien, 1850. Salzpapier, auf Untersatzkarton. Sammlung: Albertina.