Jakob Degen fliegt im Prater, 1808

Degens Flugmaschine

Dem Menschen, dessen Geist schon so vieles erfand, musste wohl schon der Gedanke kommen, den Flug der Vögel durch künstliche Flügel nachzuahmen, um sich so mit Leichtigkeit in die unermesslichen Räume der Luft zu erheben. Vor kurzem hat nun ein geschickter Uhrmacher in Wien, Herr Jakob Degen, glückliche Versuche gemacht, mit künstlichen Flügeln sich in die Luft zu schwingen. Diesen Künstler und seine Flugmaschine sehen wir hier (Fig. 1.) abgebildet. – Hr. Degen verfertigte sich nämlich zwei herzförmig gefaltete Flügel (wovon Fig. 2. die Ansicht von oben gibt) von feinem mit Firniss getränktem Papiere, welche 116 Quadratfuß an Oberfläche enthalten, und eine Länge von 10 Fuß haben. Der Elasticität wegen durchzog der Künstler das Ganze mit Streifen von Schilfrohr, welche durch seidne Schnüre verbunden sind. Der Körper des Fliegenden steht, wie wir hier sehen, zwischen den Flügeln aufrecht, und ist durch mehrere Bambusröhre (aa) mit der Maschine verbunden. Die Hände (bb) bewegen die gekrümmte Stange, wodurch der Flügelschlag in wagerechter Richtung auf und abwärts bewirkt wird. Den ersten Versuch machte Hr. Degen im Frühjahr 1808 in dem Reithause zu Wien, wo er vermittelst eines Gegengewichtes, das durch eine Schnur (d) befestigt

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Der Mann, der Yeats verjüngte. Eugen Steinach, Böcklinstraße 51, 53, 94 (1912-1938)

Eugen Steinach, 1861-1944

Who can know the year, my dear,
when an old man’s blood grows cold?
– W. B. Yeats,
The Wild Old Wicked Man, 1937

»Ich habe es machen lassen.« berichtete W. B. Yeats im Frühsommer 1934 begeistert einem erstaunten Dubliner Freund. Mit »es« spielte der damals 69-jährige Nobelpreisträger auf jene Operation an, die ihm, der mit dem Alterungsprozess nur schwer zurechtkam (»That is no country for old men« klagte er etwa 1928 in Sailing to Byzantinum), erneut erotische Höhenflüge ermöglichen sollte: Eine Vasektomie, ausgeführt durch den flamboyanten Sexologen Norman Haire in London. Als praktischer Nebeneffekt würde sich zudem der hohe Blutdruck des Dichters senken. Yeats war also, wenig überraschend, bester Dinge und ließ sich auch durch spitze Bemerkungen fehlinformierter Zeitgenossen nicht aus der Ruhe bringen: Das sei doch, als würde man einen Cadillac-Motor in einen Ford einbauen, witzelte etwa Schriftstellerkollege Frank O’Connor.

Doch tatsächlich hatte der notorische Womanizer Yeats, erstens, sich eben nicht, wie O’Connor vermutete, Affendrüsen transplantieren lassen (damals ebenfalls à la mode), und, zweitens, in jenen fünf Jahren zwischen dem oben geschilderten Eingriff und seinem Tod noch vier ernsthafte sexuelle Beziehungen. Eine der Frauen, die linke, mit dem Anarchismus sympathisierende Autorin Ethel WEITERLESEN.

Biologische Versuchsanstalt (Vivarium), 1911

1911 veröffentlichte das US-amerikanische Magazin Popular Science einen ausführlichen Artikel über die Biologische Versuchsanstalt (Vivarium) im Prater. Die wissenschaftliche Institution genoss unter ihrem Gründer und damaligen Leiter, dem Experimentalbiologen Hans Przibram (er wurde 1944 in Theresienstadt ermordet), große internationale Anerkennung. Die folgenden Fotos entstammen dem Artikel, der Text selbst ist auf Google Books online abrufbar (ab Seite 584). Eine umfassende Darstellung der Biologischen Versuchsanstalt ist zudem im Bestand der Berliner Max-Planck-Gesellschaft zu finden [Link].

»Ich bin kein Held, ich bin Komponist.« Hanns Eisler, Schüttelstraße 19a (ab 1909)

Ich kenne den Mann recht gut, er ist hoch gebildet, geistvoll, im Gespräch sehr amüsant, und oft habe ich mich mit ihm, namentlich über Wagner, glänzend unterhalten. Als Musiker ist er, nach dem Urteil all seiner Kollegen, ersten Ranges.
– Thomas Mann über Hanns Eisler, 1947

Aber es ist wirklich zu dumm, dass erwachsene Menschen, Künstler, die wahrhaftig Besseres zu sagen haben sollten, sich mit Weltverbesserungstheorien einlassen, obwohl man ja aus der Geschichte wissen kann, wie all das ausgeht. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich ihn wie einen dummen Jungen übers Knie legen und ihm 25 heruntermessen und ihn versprechen lassen, dass er nie mehr seinen Mund aufmacht und sich auf Notenschreiben beschränkt. Dafür hat er Talent und das andere soll er andern überlassen.
– Arnold Schönberg über Hanns Eisler nach dessen Verhör vor dem House Committee on Un-American Activities, 1947

Laut Charlie Chaplin wie einem Shakespeare’schen Königsdrama entsprungen: Die
Geschwister Hanns, Ruth Elfriede und Gerhart Eisler.

Es war die eigene Schwester. Als die einst linksradikale und 1936 von Stalin zum Tode verurteilte Elfriede Friedländer (geb. Eisler, Kampfname: Ruth Fischer, weitere Decknamen siehe hier) 1947 vor dem House Committee on Un-American Activities (HCUA) erschien und ihre Brüder … WEITERLESEN.

Das Drama rund um den Tiergarten am Schüttel, 1863–66

Die Zahlen, sie waren desaströs. Ein Jahr nach der so hoffnungsvoll begangenen Eröffnung wurden die beiden konsternierten Herren nun mit einem Defizit konfrontiert, dessen Ausmaß in den Wiener Salons rasch die Runde machte. Kein Zweifel: August Graf Breuner und Johann Graf Wilczek hatten sich verkalkuliert. Der im Prater angesiedelte Tiergarten am Schüttel – an sich ein zukunftsweisendes Projekt, das laut allgemeiner Meinung gar nicht schief gehen konnte – hatte sich für seine Mäzene schon bald als böses Verlustgeschäft entpuppt. Selbst eine Spende des Kaisers, der Grundstücksflächen beigesteuert hatte, verpuffte wirkungslos.

Johann Graf Wilczek (1837-1922)

Zwei Jahre zuvor, 1862, zeigte sich Wiens wissenschaftliche Welt noch zuversichtlich. Das Vorhaben war auch durchaus verlockend: Befeuert durch den überraschend großen Besucherstrom, der die Räumlichkeiten des 1860 eröffneten Aquariums am Michaelerplatz 2 füllte, hatten dessen Gründer Gustav Jäger, ein fortschrittlicher, international anerkannter Zoologe und Darwin-Fan aus Stuttgart, sowie Alexander Ussner, ein Hamburger, der einst als „Beamter am k.k. zoologischen Museum Wien“ tätig war, die Idee entwickelt, im Prater einen auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Tiergarten zu errichten – die Tiere sollten etwa in einem ihrem natürlichen Lebensraum entsprechenden Ambiente unterbracht sein. Man begann bescheiden, beschränkte sich auf heimische Fauna und eröffnete im Frühjahr 1861 … WEITERLESEN.