Stille Genugtuung: Simon Wiesenthal, Böcklinstraße 48 (1962–1969)

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Unauffällig und doch historisch bedeutsam: Das 1962 von Simon Wiesenthal und Juda F. erworbene Haus Böcklinstraße 48.

Dieser Kaufvertrag ist anders. Und er berührt auf ganz besondere Weise. In die Geschichte jener Straße, in der Adolf Eichmann 1938/39 gewohnt hatte, wird sich nun Simon Wiesenthal einschreiben. Gemeinsam mit dem Wiener Geschäftsmann Juda F. erwirbt der unermüdliche Kämpfer für Gerechtigkeit und Sühne im August 1962 ein dreistöckiges Gründerzeitgebäude in der Böcklinstraße 48. Es ist eine würdevolle Form von Rückgewinnung, eine Wiederaneignung, die still vor sich geht, in diesen beiden Männern aber vermutlich große Emotionen auslöst: Nur kurz zuvor, im Mai 1962, war Eichmann im Gefängnis von Ramla bei Tel Aviv hingerichtet worden. Wiesenthal und F. – er ist Mehrheitseigentümer – werden dieses Haus, das nur einige hundert Meter von der einstigen Wohnstätte des NS-Verbrechers entfernt ist, mehrere Jahre besitzen und dann im Dezember 1969 wieder verkaufen.

Simon Wiesenthal starb im September 2005 in Wien, sein Grab befindet sich im israelischen Herzlia (benannt nach Theodor Herzl). Um mehr über ihn zu erfahren, empfiehlt es sich, Tom Segevs zwar gelegentlich etwas sprunghafte, aber natürlich dennoch herausragende Biographie über diesen beeindruckenden Österreicher, »eine vielschichtige Persönlichkeit mit außerordentlichen Verdiensten« (Ian Kershaw), zu lesen. Der bemerkenswerte … WEITERLESEN.

Stauffenbergs Gefährten, Teil 1/2: Rudolf von Marogna-Redwitz, Böcklinstraße 27/Rustenschacherallee 12 (1938-1944)

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Von Misshandlungen gezeichnet: Rudolf von Marogna-Redwitz vor dem Volksgerichtshof in Berlin, Oktober 1944. Foto: Deutsches Bundesarchiv.
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Mit Marogna-Redwitz seit den 1920er Jahren bekannt: Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907-1944), der Kopf von Operation Walküre.

In den 1950er Jahren, so wird erzählt, war die von Richard Esriel entworfene Villa zwischen Böcklinstraße und Rustenschacherallee in einem beklagenswerten Zustand. Nun präsentiert sie sich tipp-topp renoviert, mit kleinen Beeten in den Vorgärten, und nichts deutet auf ihre Vergangenheit hin, auf jene Tage, als sie ein Wiener Zentrum für Operation Walküre bildete, diese am 20. Juli 1944 so tragisch gescheiterte Verschwörung innerhalb der deutschen Wehrmacht. Mehr als 200 Personen wurden in der Folge hingerichtet, darunter auch ein Mann, der von Claus Schenk Graf von Stauffenberg persönlich mit der Walküre-Durchführung in Wien betraut war, ein Mann, der in erwähnter Villa wohnte: Rudolf von Marogna-Redwitz, Leiter der deutschen Abwehr in Wien und von großer Bedeutung für den österreichischen Widerstand, wurde nach einem Schauprozess vor Roland Freislers Volksgerichtshof am 12. Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee gehängt.